In einem Dorf im Nirgendwo schnappt eine Mausefalle zu, der Marktplatz erwacht zum Leben. Eine Gruppe Männer diskutiert hitzig, wie das gefangene Tier am besten zu töten sei. Schließlich schlägt ein Fremder vor, es frei zu lassen. Ist er die Stimme der Vernunft oder der schlimmste Manipulator von allen?
Das mehrfach ausgezeichnete Diplomprojekt Fuse lässt das Publikum in die Rolle einer gefangenen Maus schlüpfen, die dem Willen einer übermächtigen Mehrheit ausgeliefert scheint. Regisseurin Shadi Adib, geboren in Teheran, schafft mit dem Kurzfilm eine beeindruckende Metapher über die Machtlosigkeit von Minderheiten in ungerechten Systemen.
Lies weiter und finde heraus, warum Fuse damit zu ihrem persönlichen Kultur-Forschungsprojekt geworden ist.
Regisseurin Shadi Adib über die Entstehung von Fuse:
„Mein Eindruck ist, dass Menschen Bücher schreiben, Musik komponieren oder Filme machen, weil sie nach einer neuen Perspektive suchen. Sie versuchen sich einen Reim auf das Erlebte zu machen. Und diese Neugierde, dieser Wunsch nach Verstehen ist oft so groß, dass sie ihre neue Perspektive mit anderen teilen wollen. Denn vielleicht geht es auch anderen in der Gemeinschaft ähnlich.
In meinem Film wollte ich die Gefühle einer Minderheit zum Ausdruck bringen, die die Haltung der Mehrheit als ungerecht empfindet. Eine Minderheit, die sich konfrontiert sieht mit manipulativen Machthabern. Dieses Gefühl von Ohnmacht, wenn “Democracy has gone wrong”, wenn Einzelne durch geschickte Manipulation die Regeln für andere festlegen und man sich als Minderheit nicht mehr vertreten sieht. Dann erscheint es so, als ob alle anderen den Machthabern blind folgen, weil sie damit ein Gefühl von Glück, Sicherheit und Stärke empfinden können. Die Machthaber scheinen mit ihrem Verhalten einen Nerv getroffen zu haben und man selbst bleibt mit einer anderen Perspektive zurück.
Der Anstoß für Fuse, war aber letztendlich für mich viel kleiner und persönlicher. Als ich vor vielen Jahren mit Zeichnen begonnen habe, ging es mir zunächst darum, wie ich überhaupt zeichnen kann. Erst nach und nach wurde mir auch wichtiger, was ich da zeichne. Fuse war damit so etwas wie mein Kultur-Forschungsprojekt.
Die Geschichte ist eine Adaption des iranischen Kurzgeschichtenautors Sādeq Tschubak. Ich hatte mir zu Beginn ausgemalt, wie man sich als Zuschauer im dunklen Kinosaal wie eine Maus in einer Mausefalle fühlt. Was passiert in uns als Maus, wenn es keine Alternativen mehr gibt, außer das Schicksal zu akzeptieren, welches uns unsere Herren diktieren?
Als ich von zu Hause wegging und den Iran verließ, erwartete ich selbstverständlich, dass mein Leben ziemlich schwer werden würde. Für mich war diese Anstrengung aber erstrebenswerter, als diejenige Zukunft zu akzeptieren, die mir dort von einer Gesellschaft vorgelebt wurde. Nicht alle, die sich so etwas wünschen, schaffen es, ihrer scheinbaren Vorbestimmung zu entfliehen. Diese Art der Machtkonstellationen gibt es nicht nur in meinem Heimatland. Ich denke, dass die Maus in Fuse ihr Schicksal mit vielen Einzelpersonen und Gruppen teilt. Jede Minderheit, die sich gegen eine Mehrheit stellen muss, weil sie sich nicht repräsentiert fühlt, empfindet dies ähnlich.
Hier in Deutschland angekommen, machte ich all die Erfahrungen, die ich erwartet hatte – jedoch weitaus intensiver, als ich es mir je hätte vorstellen können. Als Immigrantin werde ich von den einen als sehr exotisch (positiv) wahrgenommen, andere sahen in mir jedoch den Fremdkörper. Und das ist nicht falsch. Denn eine Annäherung ist immer ein Prozess. Ich habe mich ja selbst zunächst als Fremdkörper gefühlt. Aus der jungen, iranische Migrantin und Studentin von damals ist mittlerweile eine Ehefrau und berufstätige Mutter geworden. Neben all den guten Begegnungen, treffe ich auch heute noch auf Vorurteile und Diskriminierung. Diesen Prozess und diese Veränderung in all den Menschen, denen wir täglich begegnen, immer mitzudenken, fällt uns manchmal schwer - gerade wenn wir selbst müde und überfordert sind.
In meinem Heimatland hatte ich beschlossen, dass ich diese bildhafte Geschichte von der Maus realisieren möchte. Dort hätte ich die Umsetzung aber niemals erreicht. In einem anderen Land - in meinem Fall in Deutschland - hat es jedoch geklappt. Der Produktionsort hat also den Entstehungsprozess stark beeinflusst und den Film von seinem iranischen Ursprung aus, zu einem Projekt aus Ludwigsburg werden lassen. Und deshalb nenne ich Fuse immer mehr mein ganz persönliches Kultur-Forschungsprojekt. Ein Kultur-Forschungsprojekt, das aber noch nicht abgeschlossen ist. Die Arbeit am Film half mir, hier in Deutschland die Grundlage für ein Leben zu schaffen. Nun bin ich vollauf damit beschäftigt, vom ehrgeizigen Mädchen zur Mama Shadi zu werden."