Übermenschlich stark sein, fliegen können oder doch lieber Unsichtbarkeit? Bei Diskussionen um die begehrenswerteste Superkraft, die wir natürlich alle tagtäglich führen, gibt es allerlei Konfliktpotenzial. Da wünschte man sich schon fast, Gedanken lesen zu können, um die Argumente des Gegenübers bereits im Vorhinein entkräften zu können.
Die VR-Experience MINDPALACE von Dominik Stockhausen und Carl Krause erzählt von eben dieser Verlockung, in die Gedankenwelt eines geliebten Menschen abzutauchen. Gefühle lassen sich nur bis zu einem gewissen Grad mit Worten ausdrücken. Die eigene Beziehung aus der Perspektive des Partners zu „erfühlen“, stellt also durchaus eine Faszination dar – auch für den Protagonisten von MINDPALACE. Doch ob diese neue Perspektive nicht ungewollte Wahrheiten enthüllt, gilt es in der VR-Experience selbst rauszufinden…
In folgendem Interview resümieren Carl und Dominik über die Entstehung ihres Diplomprojekts, der dahinterstehenden Vision sowie ihre Zeit am Animationsinstitut.
Carl:
Ich war schon als Kind von Computergrafik fasziniert. Ich kam recht früh in Kontakt mit meiner ersten 3D Software (3Ds Max 4), habe viel damit rumgespielt (Tutorials gab es in der Form noch nicht), habe 3D-Häuser gebaut und war dann lange fest überzeugt, dass ich Architekt werden will. Der erste Spider-Man Film von Sam Raimi war gerade erschienen und ich weiß noch, wie ich ein Making-of über die Entstehung der Animationen verschlungen habe. Irgendwann bin ich darauf gekommen, dass ich viel lieber Filme machen will.
Nach dem Abi hatte ich mehrere Praktika in Design- und Animationsstudios gemacht und bin durch Kollegen auf die Filmakademie aufmerksam geworden. Hier angenommen zu werden, ist nicht immer einfach, weil es so viele Bewerbungen gibt. Bei mir hatte es bei der ersten Bewerbung nicht geklappt. Stattdessen habe ich mich für ein Informatik-Studium eingeschrieben, habe viel dabei gelernt und lange an meinem Bewerbungsfilm rumgeschraubt, um es dann im nächsten Jahr noch einmal zu probieren. Diesmal hatte es dann zum Glück geklappt.
Dominik:
Dass ich bei Animation gelandet bin, war tatsächlich eher Zufall. Ich studierte Theater- und Medienwissenschaften in Bayreuth. Neben dem Studium verbrachten meine KommilitonInnen und ich viel Zeit damit, szenische Kurzfilme zu realisieren. Da ich der Einzige war, der bereits rudimentäre Erfahrung mit Motion Graphics besaß, avancierte ich dort schnell zum Zuständigen für „visuelle Effekte“ – aber wie gesagt, alles wirklich noch sehr rudimentär. Als die Bewerbungsfristen für die Filmakademie näher rückten und ich davon Wind bekam, dass das scheinbar „the-place-to-be“ für Film war, bewarb ich mich einfach auf gut Glück für Animation. Das kam dem, was ich so machte, am nächsten. Und dann hat es auch irgendwie direkt geklappt.
Carl:
Bei einer VR-Experience ist die Perspektive der Zuschauer und Zuschauerinnen deutlich sensibler zu behandeln als bei Filmen oder Videospielen. Eine VR-Brille auf den Kopf zu ziehen bedeutet, in eine andere Welt einzutauchen und dieser ist man als ZuschauerIn erstmal ausgeliefert. Dadurch, dass man viel weniger Sinneseindrücke von außen bekommt, akzeptiert man die neue Realität unterbewusst recht schnell. Darum müssen Bewegungen, Kamerafahrten und Effekte sehr behutsam eingesetzt werden, um Zuschauer und Zuschauerinnen nicht zu verwirren oder sogar zu überfordern. Wir haben lange experimentiert, bis wir eine Art Regelwerk für MindPalace entwickelt haben.
Eine technische Herausforderung war auch der MINDPALACE selbst. Die Sequenz, wenn wir in den Kopf des einen Charakters eintauchen, sollte sich undeutlich und wie ein zusammenhängender Fiebertraum anfühlen. Ich hatte in der Zeit viele Simulationstests in Houdini gemacht und irgendwann haben wir uns entschieden, einfach die komplette Sequenz als eine zusammenhängende Wassersimulation zu planen.
Dominik:
Das war auf jeden Fall das Gedankenexperiment mit dem wir in das Projekt gestartet sind. Da gibt es jemanden, der genau an dieser Übersetzung von Empfindung zu Medium scheitert. Die übermittelte Information ist einfach nicht unmittelbar genug. Wie also diese Distanz aufheben? Klare Sache: Den Partner in den eigenen Kopf hineinziehen.
Für uns als Filmemacher ist das natürlich eine tolle Symbiose aus Form und Inhalt. Da stülpt sich ein Tableau aus Emotionen um den Protagonisten, genauso wie sich diese Welt des Inneren mittels VR-Brille um die Zuschauer und Zuschauerinnen stülpt.
Spannend ist aber, wie sich diese anfängliche (und im Endeffekt viel zu simple) Überlegung im Laufe des Projektes entwickelt hat. Wir mussten lernen, dass gerade dieses Einswerden von Zuschauerinnen sowie Zuschauern und Protagonist eine Hürde darstellt, die sich so einfach gar nicht überwinden lässt und im Gegenteil sogar unserer Narration schadet – eine Erkenntnis, die unserem Antagonisten gewissermaßen verwehrt bleibt. Im Zentrum standen nun nicht mehr nur jene Gefühle, die unser Antagonist so unmittelbar wie möglich zu kommunizieren versucht, sondern der Versuch um die Unmittelbarkeit an sich.
Carl:
Nein, ich glaube nicht. In den Kopf eines anderen Menschen einzutauchen, würde wahrscheinlich bedeuten, ALL seine Gedanken/Probleme/Emotionen ungefiltert mitzubekommen, was ich mir sehr anstrengend vorstelle. Als Filmemacher bin ich eher daran interessiert, einer künstlerischen Narrative zu folgen (bzw. sie selbst zu entwickeln), die sich auf ein Thema oder einen Aspekt fokussiert.
Dominik:
Ich wäre schon froh, wenn ich etwas öfter in meinem eigenen Kopf den Durchblick hätte. 😉
Das internationale, kreative und technische Niveau der Studierenden ist so hoch, dass man als Einzelner einfach gar nicht anders kann, als auch mit jedem Jahr immense Fortschritte zu machen.
Carl Krause, Alumnus AnimationsinstitutCarl:
glücklich, nostalgisch, lernend
Noch ein paar weitere Gedanken (und eine ganz klare Liebeserklärung):
Die Zeit für mich am Animationsinstitut war unbeschreiblich gut und wichtig. Ich kann manchmal immer noch nicht fassen, dass ich damals das Glück hatte, angenommen zu werden. Denn die vielen Jahre, die ich dort studiert habe, haben mich sehr geprägt und mir geholfen, mich in eine Richtung zu entwickeln, die ich davor gar nicht kannte. Interessiert haben mich immer viele Aspekte des Filmemachens, aber erst durch das Studium konnte ich rausfinden, worauf ich mich später fokussieren will.
Das Studium ist sehr intensiv und fordernd, aber jeder den ich dort kennengelernt habe, war zu Hundertprozent mit Feuer dabei. Die Lehre und die persönliche Unterstützung bei jedem Projekt ist unglaublich gut – und trotzdem würde ich sagen, dass die eigentliche Stärke des Animationsinstituts in den Studierenden selbst liegt. Das internationale, kreative und technische Niveau der Studierenden ist so hoch, dass man als Einzelner einfach gar nicht anders kann, als auch mit jedem Jahr immense Fortschritte zu machen.
Ich bin sehr glücklich, wo ich heute stehe und dass ich von meiner Leidenschaft leben kann. Ohne das Studium am Animationsinstitut wäre das so nicht möglich gewesen.
Dominik:
Das mit den drei Worten klappt auch bei mir nicht so wirklich.
Rückblickend war es schon eine sehr unbeschwerte Zeit. Es hat beinahe etwas utopisches, wie viel Freiheiten (und Ressourcen) man hatte, um seinem eigenen Impetus nachzugehen. Man muss sich nur trauen, diesem auch zu folgen.