Wir schreiben das Jahr 2073X: Die Menschheit ist aus der trostlosen Wirklichkeit in eine virtuelle Utopie entflohen. Ein neuer Virus, Neoshin, erschüttert die Welt von Hauptcharakter Ayuko. So die Geschichte hinter dem gleichnamigen Projekt Neoshin, das nicht nur für die im März stattfindenden Visual Effects Society (VES) Awards nominiert ist, sondern auch den AUREA Young Talent Award 2022 gewann. Herzlichen Glückwunsch!
Was genau hinter dem Projekt steckt (Spoiler: nicht nur eine Animationsserie, sondern eine echte Band!) und was das Studium Technical Directing so spannend macht, erfährst du hier von Alumnus Ramon Schauer.
Worum geht es in Neoshin?
Ramon: Neoshin war unser Diplomprojekt hier am Animationsinstitut. Wir erzählen eine Welt, die im Cyberpunk-Genre angesiedelt ist: In unserer Version der Zukunft ist es durch technische Erfindungen möglich, sich einfrieren zu lassen und in einer virtuellen Parallelwelt zu leben, um so den Prozess des Alterns zu stoppen. Gleichzeitig ist die reale Welt durch die globale Erwärmung und massive Umweltverschmutzung nicht mehr lebenswert, wodurch die virtuelle Welt immer mehr zu einem Zufluchtsort der Menschen wird. Innerhalb dieser Welt geht es um unseren Hauptcharakter Ayuko, welche sich über die Musik der Band Neoshin mit einem Virus infiziert und aus der virtuellen Realität ausgeschlossen wird.
Das Ganze ist ein Hybrid aus einer Animationsfilmserie und einem Musikalbum: Die Band Neoshin ist sowohl eine tragende Partei innerhalb unserer Geschichte, als auch eine real existierende Band, welche die Musik für den Film erstellt. Dabei entspricht jeder Song einer Episode, welche die Geschichte weiterführt.
Welche Aufgaben hast du als Technical Director (TD) bei Neoshin?
Ramon: Die Aufgaben als TD im Projekt Neoshin sind sehr vielfältig. Neben den allgemeinen TD-Aufgaben wie den Überblick über die Pipeline und die verwendeten Workflows zu behalten, fokussieren sich meine Aufgaben hauptsächlich auf unseren Hauptcharakter. Hierbei übernehme ich eigentlich fast den gesamten Workflow: Supervision der 3D-Scanning-Session unserer Hauptdarstellerin, Modelling, Texturing und Shading des 3D-Models sowie Blendshape-Erstellung und Rigging. Zusätzlich beschäftige ich mich auch mit Motion Capture und Face Capture, um unseren Animatoren am Ende eine gute Grundlage für ihre Arbeit liefern zu können.
Mir war es bei Neoshin sehr wichtig, nicht nur an rein technischen Dingen zu arbeiten, sondern auch künstlerische Aufgaben zu übernehmen.
Was war für dich bisher die größte Herausforderung bei deiner Arbeit an Neoshin?
Ramon: Neben den allgemeinen Schwierigkeiten, die es bei jedem Projekt gibt wie die Ideenfindung und dem Animatic, ist der fordernste Teil definitiv unser Anspruch, einen glaubhaften, menschlichen Charakter umzusetzen. Dabei gibt es unheimlich viele kleine Details die beachtet werden müssen - angefangen von kleinsten Details wie Hautporen bis hin zur Deformation der einzelnen Gesichtsausdrücke. Oft ist es dabei sehr schwierig, herauszufinden, welche Aspekte noch mehr Arbeit benötigen und erfordert viel Research und sehr gute Referenzen.
Neben den allgemeinen TD-Aufgaben wie den Überblick über die Pipeline und die verwendeten Workflows zu behalten, fokussieren sich meine Aufgaben hauptsächlich auf unseren Hauptcharakter.
Ramon SchauerWieso hast du dich für ein TD-Studium entschieden?
Ramon: Für das TD-Studium habe ich mich aus mehreren Gründen entschieden. Nach meinem Bachelor wollte ich noch nicht direkt beginnen zu arbeiten, sondern mir noch etwas mehr Zeit für eigene Projekte und Experimente nehmen, wofür die Filmakademie den perfekten Rahmen bietet. Außerdem wollte ich mich etwas mehr Richtung VFX weiterbilden, da ich zuvor hauptsächlich Erfahrung mit Games gemacht habe.
Rein inhaltlich habe ich mich für das TD-Studium entschieden, weil ich mehr über die technischen Hintergründe der Workflows erfahren wollte und gleichzeitig trotzdem noch künstlerische Aufgaben übernehmen wollte. Da ein TD praktisch die Schnittstelle zwischen Artists und Programmierern ist und die Filmakademie zudem inhaltlich sehr viele Freiheiten bietet, habe ich dann den TD-Studiengang gewählt.
Was hast du vor deinem Studium an der Filmakademie gemacht?
Ramon: Ich habe bis 2018 im Bachelorstudiengang “Animation and Game” an der Hochschule Darmstadt studiert und dort die Grundlagen von verschiedensten Bereichen wie 3D, Programmierung, Game Design und Storyboarding gelernt.
Vor dem Studium an der Filmakademie habe ich mich deutlich mehr auf Games und die künstlerische Seite konzentriert, hatte dabei aber parallel schon immer auch Interesse an den etwas technischeren Facetten der Spieleentwicklung und auch daran, wie Film und Spielproduktionen immer ähnlicher werden.
Welche praktischen Erfahrungen hast du vor und während deines Studiums gesammelt?
Ramon: Während meines Bachelorstudiums habe ich für ein knappes Jahr als 3D Environment Artist bei Deck13 Interactive am Game The Surge gearbeitet. Zusätzlich arbeite ich gelegentlich als Freelancer an kleineren Projekten und gebe aktuell einen Workshop über Photogrammetry an der Hochschule Darmstadt.
Was hat dir an deinem Studium als TD besonders Spaß gemacht? Bzw. welche Themen fandest du besonders spannend?
Ramon: Ich mochte die Vielseitigkeit des Studiums. Da Technical Directing ein unheimlich großes und teilweise auch nicht klar definiertes Feld ist, gibt es immer neue Dinge zu lernen. Selbst unter TD-Studenten macht eigentlich jeder komplett unterschiedliche Dinge. Thematisch interessieren mich hauptsächlich Themen im Bereich realistische Menschen, 3D Scanning und Realtime-Rendering.
Dabei fande ich es sehr angenehm, sehr wenige strikte Vorgaben zu haben. Stattdessen arbeitet man an Projekten.
Wie sah dein Studienalltag aus?
Ramon: Der Alltag kann sehr verschieden sein, je nachdem in welcher Phase die aktuellen Projekte gerade sind. Üblicherweise beginnt der Tag mit einigen Meetings, um verschiedene anstehende Dinge zu planen und den aktuellen Stand der Arbeit zu besprechen. Danach arbeitete ich in der Theorie an meinem Arbeitsplatz an den aktuellen Aufgaben - allerdings wurde das meistens dann wieder von weiteren kurzen Besprechungen, Workshops usw. unterbrochen. Da man als TD auch oft dafür verantwortlich ist, Lösungen für aktuelle technische Probleme zu finden, ist Kommunikation mit anderen Teammitgliedern ein relativ großer Punkt.
Was war dein Highlight im Studium?
Ramon: Es ist schwierig, ein einzelnes “Highlight” auszuwählen - insgesamt sind aber die ganzen Menschen, die man während des Studiums kennenlernt und die allgemeine Arbeitsatmosphäre der für mich beste Aspekt.
Zusätzlich ist es natürlich immer auch sehr spannend, Workshops und Feedback von sehr erfahrenen Leuten aus der Industrie zu bekommen oder neue Techniken ausprobieren zu können.
Was würdest du Bewerberinnen und Bewerbern raten?
Ramon: Vermutlich ist es das Beste, sich auf die Dinge zu konzentrieren, die einen wirklich interessieren und sich nicht zu sehr mit den anderen Studierenden oder Bewerberinnen und Bewerbern zu vergleichen. Weil gerade bei den TDs die Ausrichtung so verschieden sein kann, findet man immer jemanden, der in einigen Bereichen viel besser als man selbst ist, was sehr einschüchternd wirken kann. Insgesamt ist es generell wichtig, sich von der Aufnahmeprüfung nicht zu sehr beeindrucken zu lassen und einfach zu zeigen, was die eigenen Stärken und Interessen sind.
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