Von Verlust, Hoffnung und lodernden Flammen

Projekt des Monats: Firehead

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Nach seinem Abschluss an der Tama Art University in Tokio arbeitete Ryoji Yamada als Freelancer und realisierte verschiedene Animationsprojekte. Auf der Suche nach neuen Herausforderungen und einer Möglichkeit, seine künstlerischen Fähigkeiten zu verbessern, landete er schließlich am Animationsinstitut der Filmakademie, wo er ein Jahr lang als Gaststudent studierte. Während seines Studiums in Ludwigsburg arbeitete er nicht nur an verschiedenen studentischen Projekten mit, sondern schuf auch seinen eigenen Kurzfilm Firehead.

Die 2D-Animation entführt das Publikum in eine trostlose Höhle, in der die einzige Lichtquelle von ihren eigenen Bewohnern ausgeht: Wachskreaturen mit Flammenköpfen. Firehead zeigt eine seltsame Welt voller Gewalt und Ekstase und folgt einem kleinen Jungen, der, isoliert von den anderen, an einem sicheren Ort lebt und diesen eines Tages verlassen muss.

Lies weiter und erfahre mehr über Ryojis Erfahrung in Deutschland und die Inspiration für seinen Film Firehead.

 

Firehead

Wann hast du deine Liebe zur Animation entdeckt und wie hast du deinen Weg an die Filmakademie Baden-Württemberg gefunden?

Das ist eine lange Geschichte... Als ich an der Kunsthochschule in Japan studiert habe, konnten wir viele Animationen aus der ganzen Welt anschauen. Ich war fasziniert von Animationen aus England, Frankreich, Italien, Deutschland, Estland, usw. Die Arbeiten von Andreas Hykade waren besonders schockierend und ich fragte mich, wie ich etwas so Eindrucksvolles kreieren kann.
Nach meinem Studium arbeitete ich drei Jahre als Animator und machte mich dann als Freelancer selbständig. Mit der Zeit wurden meine Projekte immer anspruchsvoller und zeitintensiver, aber ich wollte mich auch verbessern und etwas Neues lernen.

 

Ein befreundeter Animationskünstler aus Japan hatte auf dem ITFS in Stuttgart die Animatorin und Motion Designerin Shoko Hara kennen gelernt. Er stellte mich also Shoko vor, und ich fragte sie, ob sie mich mit Andreas bekannt machen könnte, denn ich fand heraus, dass sie an der Filmakademie studierte und ihn sehr gut kennt. Sie sagte mir, ich solle einfach vorbeikommen und mir die Akademie ansehen. "Warum kommst du nicht vorbei und siehst dir alles an?"
Das habe ich dann auch gemacht. Ich traf Shoko, sie zeigte mir den Campus und mir wurde schnell klar, dass ich hier unbedingt studieren möchte. Normalerweise werden Austauschstudenten für ein halbes Jahr aufgenommen, aber ich wollte mindestens ein Jahr bleiben, um die Kultur in Deutschland wirklich kennen zu lernen. Also begann ich, Andreas und Constanze, die Studienkoordinatorin des Animationsinstituts, zu kontaktieren und glücklicherweise traf ich die beiden in Annecy, als mein Film Hunter für den Kurzfilmwettbewerb nominiert war. Wir unterhielten uns und schließlich wurde ich für ein Jahr als Gaststudent an das Animationsinstitut der Filmakademie eingeladen, wo Shoko dann meine Mentorin wurde.

 

Worum geht es in Firehead und was hat dich zu dieser Geschichte inspiriert?

Vielleicht ist es nur außerhalb Asiens so, aber es scheint, als würden sich alle Menschen zur Begrüßung umarmen, ganz unabhängig von Geschlecht oder sozialem Status. Das hat mich sehr überrascht, und als ich dann tatsächlich in Ludwigsburg lebte und diese Beobachtung hautnah erleben konnte, fand ich es noch erfrischender.
Am Anfang war ich ein wenig abweisend oder schämte mich sogar für Umarmungen. Aber nachdem ich mich daran gewöhnt hatte, empfand ich es als ein wunderschönes Ritual, denn es gibt mir das Gefühl, dass mein Gegenüber und ich Mitgefühl und Hoffnung füreinander empfinden.

 

Zu dieser Zeit hatte ich auch einen bestimmten Leitsatz: "Nicht die Verzweiflung hält die Menschen auf, sondern die Resignation, und nicht die Hoffnung, sondern der Wille bringt die Menschen voran." Das ist eine Zeile aus einem japanischen Manga und vielleicht lag es daran, dass ich als Freelancer in Japan arbeitete und die Arbeit so intensiv war, dass ich einfach nur weglaufen wollte. Ich fühlte mich auf eine Art zu dieser Passage hingezogen. Verbunden mit meinen Beobachtungen zum Umarmungs-Ritual inspirierte mich der Satz dazu, geteilte Gefühle durch Flammen zu ersetzen. Rote Flammen für Gefühle, die Willen ausdrücken und blaue Flammen für Gefühle, die Aufgeben ausdrücken.
Es war interessant und amüsant, im Nachhinein zu hören, dass in Europa eigentlich die blaue Flamme ein positives Bild ist und die rote Flamme ein negatives.

 

Erstes Storyboard für Firehead

Storyboard Firehead

Was hast du aus deiner Zeit am Animationsinstitut mitgenommen?  

Zu Beginn habe ich Matisse Gonzalez bei ihrem Diplomfilm Gravedad geholfen und dabei viel lernen können - vom Drehbuch, der Projektbetreuung, den Diskussionen, den vierzehntägigen Fortschrittspräsentationen und der eigentlichen Produktion des Films. Ich lernte auch viel über Teammanagement, Drehbuchschreiben und wie man Diskussionen führt. Denn diese Themen werden in Japan nicht an Schulen oder in Unternehmen, sondern eher durch praktische Erfahrung vermittelt.

 

Wie ging es nach deiner Zeit in Deutschland weiter und woran arbeitest du zurzeit?

Nach meiner Rückkehr aus Deutschland habe ich mit meinen Freunden und Bekannten in Tokio und Amsterdam eine Firma namens "mimoid" gegründet. Wir sind ein fünfköpfiges Team mit vier Regisseuren und einem Produzenten, die alle unabhängig voneinander arbeiten. So sind wir in der Lage, ein einziges Kundenprojekt aus mehreren Perspektiven zu betreuen und zu bearbeiten. Mein Produktionsteam ist großartig und ich kann all die Dinge, die ich am Animationsinstitut gelernt habe, zum Einsatz bringen.

Seit Firehead habe ich keinen Originalfilm mehr gemacht, aber zum Glück konnte ich viele Kundenprojekte wie Musikvideos und Werbespots umsetzen. In naher Zukunft möchte ich mich wieder an Kurzfilmen und auch an Spielfilmen versuchen.

Über Ryoji Yamada

Nach seinem Abschluss in Animation an der Tama Art University begann Ryoji seine Karriere als Animationskünstler als 2014 sein Abschlussprojekt für das Animationsfilmfestival in Annecy nominiert wurde. Nachdem er als Animator bei Garage Film Co. gearbeitet hatte, begann er 2016 als Freiberufler zu arbeiten. Neben seinen eigenen Arbeiten produziert er auch Werbe- und Musikvideos.
Er wurde dreimal in die Liste der 100 besten Filmemacher in Japan aufgenommen. Er studierte 2018 an der Filmakademie Baden-Württemberg und gründete mit vier Regisseuren und einem Produzenten in Tokio und Amsterdam ein Kreativhaus namens mimoid.

  • Ausgewählt für die Kategorie Kurzfilm beim Internationalen Trickfilmfestival in Annecy.
  • Ausgewählt als ein von der Jury empfohlener Film auf dem Japan Media Arts Festival.
  • Ausgewählt für den Musikvideowettbewerb beim Ottawa International Animation Festival etc.

Erfahre mehr über Ryoji auf seiner Website.

Filmografie

Kellner (2014)

Hunter (2017)

Firehead (2019)

 

Schau dir eine von Ryojis letzten Arbeiten an: Ein animiertes Musikvideo für millennium parade!

 

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