Ein technisches Wunderwerk

Projekt des Monats: WUNDERWERK

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Michael Siebers Diplomfilm WUNDERWERK, der zwischen 1998 und 2001 an der Filmakademie entstand, erzählt von der wahnwitzigen Erschaffung eines mechanischen Vogels, der seinem einsamen Erfinder Gesellschaft leisten soll, vielmehr aber den Wunsch verspürt, unter seinesgleichen die Welt dort draußen zu entdecken.

Nicht nur die Handlung von WUNDERWERK weiß heute noch zu begeistern; auch die technische Umsetzung des Films innerhalb einer Industrie, die spätestens zur Jahrtausendwende in Anbetracht der Digitalisierung zahlreiche Innovationen erlebte, könnte kaum spannender sein! Es lohnt sich also mit Michael hinter die Kulissen seines Films zu blicken...       

 

Wunderwerk

Regisseur Michael Sieber über die Entstehung von Wunderwerk

Eine technische Revolution

Für das Medium Zeichentrickfilm waren die Neunziger das Jahrzehnt der technischen Revolution. Disney hatte 1990 BERNARD UND BIANCA IM KÄNGURULAND veröffentlicht, den ersten Spielfilm der komplett digital koloriert und gerendert worden war. Die Animationsphasen wurden zwar nach wie vor alle auf Papier gezeichnet, aber die Kolorierung und die komplette Kameraarbeit wurde digital gemacht. Das Ergebnis war atemberaubend - es war völlig klar, dass diese Technik die Zukunft der Zeichentrickproduktion sein würde.

 

Ich hatte bis dahin meine beiden Filmgestaltungsprojekte traditionell auf Folien bzw. auf Papier gezeichnet und mühsam koloriert. Als dann aber an der Filmakademie die digitale Technik tatsächlich eingeführt wurde, fühlte ich mich wie im Schlaraffenland. Dass die Kolorierungsarbeit plötzlich um ein Vielfaches schneller und einfacher wurde, war fast nur Nebensache. Viel aufregender war die Möglichkeit, nicht mehr nur mit flachen Farben, sondern auch mit Farbverläufen oder mit animierten Texturen zu kolorieren und so den klassischen „Folien-Look“ überwinden zu können.

 

Vielleicht noch spektakulärer war die Möglichkeit, mit der virtuellen Kamera jede denkbare Bewegung zu erzeugen und den Figuren scheinbar völlig spontan folgen zu können. Keine große Sache heute, doch zuvor waren Kamerabewegungen immer durch die mechanischen Möglichkeiten und die physischen Grenzen des Kameratisches, aber z.B. auch ganz schlicht durch die Größe der Folien eingeschränkt.

 

Diese Einschränkungen galten weit über 50 Jahre und hatten die Ästhetik des Mediums geprägt. Nun existierten sie plötzlich nicht mehr! Und war man erst mal in der digitalen Welt angekommen, so kamen auch noch die Möglichkeiten der 3D-Animation und des Compositings hinzu! Ich wollte unbedingt diese Techniken ausprobieren und erlernen, ich wollte einen Film machen, der all das verbindet.

 

Rückblickend finde ich es verrückt, wie intensiv ich mich mit den technischen Aspekten beschäftigt habe, und wie planlos ich durch die Erzählung gestolpert bin. Ich hatte zu keiner Zeit ein Animatic, immer nur einen Haufen Storyboardzeichnungen. Der Film ist dadurch viel zu langsam und zu lang geworden. Die Herstellung dauerte endlos.

Was ist ein Animatic?

In einem Animatic werden die gezeichneten Bilder aus dem Storyboard in einer filmischen Vorabversion aneinandergereiht. So lassen sich verschiedenste Aspekte des Films, wie beispielsweise Timing, Abstimmung von Ton und Bild oder auch Kamerabewegungen, mit verhältnismäßig wenig Aufwand austesten.

Wie ging es weiter?

Heute ist natürlich sonnenklar, dass man vor der eigentlichen Animation intensiv an einem Animatic arbeiten muss, um den Ablauf und das Timing der Erzählung zu erproben und zu verbessern. Doch auch diese Arbeitsweise hat sich ja erst zu eben jener Zeit entwickelt, als nichtlineare Schnittsoftware auf normalen PCs lauffähig wurde.

 

Diesen Teil des Animationshandwerks habe ich eigentlich erst nach meinem Studium im Laufe der Jahre bei Studio Soi gelernt. Wir arbeiten heute in erster Linie fürs Kinderfernsehen - im Moment vor allem für DIE SENDUNG MIT DER MAUS. Wir versuchen, so klar und so fokussiert wie möglich zu erzählen und das Budget so sinnvoll wie möglich auf die Bereiche Storytelling, Design, Animation, Compositing und Ton zu verteilen. Unser Ideal ist es, den Arbeitsaufwand für eine sechsminütige Episode möglichst auf den Tag genau zu kalkulieren.

 

Michael Sieber arbeitet als Technical Director und als Regisseur bei Studio Soi.

 

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