Alligatoren und Countrymusik

Projekt des Monats: EVANGELINE

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Die abenteuerlustige Evangeline findet eines Abends tief in den Sümpfen Louisianas ein verlassenes Alligatoren-Ei. Sie beschließt, es mit nach Hause zu nehmen und heimlich unter ihrem Bett auszubrüten. Als der Alligator schlüpft, hat sie endlich ihren langersehnten Spielkameraden. Der Alligator wird jedoch bald zum Problem für Evangeline…

 

Regisseurin Nadine Schwenk und Producerin Nina Schwarz erzählen über die Entstehung ihres 3D-Kurzfilms. Wieso Nadine schuppige Tiere liebt und was Nina mit Modeling-Partys bewerkstelligt hat, erfahrt Ihr im Interview!

 

Redaktioneller Hinweis: Der folgende Text wurde in seiner Ursprungsform bereits im März 2020 veröffentlicht.

Alumna Nadine Schwenk über schuppige Tiere und die vielen Aufgaben einer Regisseurin

Nadine, Du hattest ja schon früh im Studium eine klare Vision über den Film EVANGELINE. Woher kam sie und was hat Dich an der Idee so begeistert?

Die Idee zu EVANGELINE hatte ich nach meinem Urlaubsjahr. Während dieser Zeit bin ich zwei Monate alleine durch die Südstaaten der USA gereist – von Nashville über Atlanta und New Orleans bis nach Austin, Texas. Seit meiner Jugend übt diese Region eine besondere Faszination auf mich aus. Während meiner Reise wollte ich vor allem authentische Musik, Menschen und Landschaften dort erleben und besuchte viele Konzerte und spielte mit fremden Menschen Gitarre, die mich freundlich in ihrer Mitte aufnahmen.


Außerdem war ich schon immer ein Riesenfan von Dinosauriern und Reptilien im Allgemeinen – also eigentlich allem, was Schuppen hat. Während ich in New Orleans war, bin ich durch die Sümpfe gewandert und habe wilde Alligatoren gesehen, und sogar einen Baby-Alligator auf dem Arm gehabt, was ein fantastisches Erlebnis für mich war.

 

Die Südstaaten sind eine Region, die sehr polarisiert, aber mich immer begeistert hat. Die meisten Menschen, die ich kenne, interessieren sich nicht sonderlich für Country- oder Bluegrassmusik und teilen auch nicht meine Liebe zu Reptilien, sondern finden sie eher abstoßend und widerlich. Deshalb wollte ich gerne ein Stück dieser Welt, die mich so begeistert, anderen Menschen näherbringen.

Du warst nicht nur die Regisseurin von EVANGELINE, sondern hast auch noch große Teile des Films selbst animiert. War das nicht sehr herausfordernd? Oder haben sich beide Rollen gegenseitig inspiriert?

Eine Herausforderung war es, schnell zwischen den verschiedenen Aufgabenbereichen zu wechseln. Manchmal muss man also über die Musik sprechen, dann Feedback zur Animation geben und dann wieder selbst animieren. Man muss also versuchen, sich schnell wieder auf eine andere Aufgabe einzulassen und hineinzudenken. Ich hatte jedoch ein tolles Team, das mich ganz stark darin unterstützt hat, und wir haben versucht, Wege zu finden, das Ganze so zu optimieren, dass jeder möglichst lange eigenständig arbeiten konnte. Der Vorteil an beiden Aufgabenbereichen ist, dass man für den Gesamtfilm sowie den Animationsstil ein klares Bild im Kopf hat. So kann man Entscheidungen in beiden Bereichen treffen, mit dem Wissen, wie sie sich gegenseitig beeinflussen.

Alumna Nina Schwarz über Modeling-Partys und Teamorganisation

Nina, EVANGELINE war das erste größere Animationsprojekt, das Du als Producerin begleitet hast – und das gleich noch über mehrere Jahre. Haben sich daraus für Dich besondere Herausforderungen ergeben und wenn ja, inwiefern?

Eine der größten Herausforderungen war für mich, ein Team über einen so langen Zeitraum bei Laune zu halten und immer wieder neue Teammitglieder zu finden. Ich glaube, am Ende können wir sagen, dass fast das ganze Animationsinstitut in die Produktion des Filmes involviert war. Wir hatten Teammitglieder aus allen Jahrgängen, wodurch Studierende viel voneinander lernen konnten. Natürlich hatten wir auch immer wieder Teammitglieder, die uns über einen längeren Zeitraum begleitet haben, wie zum Beispiel Caroline Kiessling, Daniel Schmucker und Tim Lehr – mit ihnen hatten wir ein sehr starkes Kernteam, das gerade gegen Ende der Produktion Erstaunliches vollbracht hat.

 

Für mich als Producerin war es besonders lehrreich, in alle Prozesse der Filmproduktion mit eingebunden zu sein, so dass aus der Vision der Regisseurin ein gemeinsames Projekt entstanden ist. Zusammen waren wir bei vielen Mentoring-Sessions: von Storytelling über Sound und Musik bis hin zu technischen Mentorings, in denen es um die Pipeline oder die Animation ging. Das Schöne war hierbei, dass die künstlerische Vision immer Hand in Hand mit der technischen und produktionellen Umsetzbarkeit erörtert und erarbeitet wurde.

Als Team haben wir dann auch unterschiedliche Projekt-Tools ausprobiert. Die ursprünglichen Post-its, auf denen To-Dos standen, wurden schnell durch Shotgun und dann später FTrack ersetzt. Tools, die ich heute bei meinem Job benötige und täglich nutze.

 

Einen ganz wichtigen Punkt, den ich in diesem Projekt gelernt habe, ist es, ein Projekt zu verkaufen. Dadurch, dass wir immer wieder auf der Suche nach Unterstützung waren, haben wir unzählige Male das Projekt vorgestellt und gepitcht. Am Anfang war ich sehr aufgeregt, aber mit der Zeit verfliegt das, man wird immer sicherer, weiß worauf es ankommt und lernt, lockerer zu werden.

 

Gemeinsam durften Nadine und ich zu Cartoon Movie fahren. Dort konnten wir uns einiges von den „alten Hasen“ in der Branche abschauen. Eine unvergessliche und sehr lehrreiche Reise.

Alligator-Kekse für die Motivation bei der Produktion

Ein Teller mit Krokodilkeksen

Für EVANGELINE waren sehr viele Assets nötig – von Teetassen über Möbel bis hin zu einem ganzen Schiff. Ihr habt Euch etwas ganz Besonderes einfallen lassen, um diese Assets für EVANGELINE zu bekommen, Stichwort Modeling-Partys. Was steckt dahinter?

 

Wir hatten ein tolles künstlerisches Team, das eine ganz besondere Bildsprache für den Film EVANGELINE geschaffen hat: Tobias Trebeljahr als Art Director hat sich um das Wohnhaus mit all seinen Zimmern und das Jägerschiff gekümmert. Eddy Hohf war für das Character Design verantwortlich und Sofiia Melnyk für den Sumpf und dessen Pflanzenwelt. Gemeinsam haben sie eine Welt geschaffen, die so in keiner Asset-Library zu finden ist.

 

Wir sind relativ schnell an den Punkt gekommen, an dem wir gemerkt haben, dass wir nie im Leben die Ressourcen haben werden, wirklich jedes Asset selber von Hand zu modeln. Wir wollten aber auch nicht den Stil des Films verlieren. Schließlich sind wir auf die Idee gekommen, Modeling-Partys zu veranstalten.

 

Diese sahen bei uns so aus: Wir haben den Computerraum für einen Abend gebucht und alle Studierenden eingeladen, vorbeizukommen und ein Asset zu modeln. Es gab Snacks wie Muffins und kleine Alligator-Kekse, passende Musik und Getränke. Alle die gekommen sind, durften sich ein oder mehrere Assets aussuchen und modeln.

Vereinzelt kamen sogar Studierende, die zuvor noch nie gemodelt haben. Mit der Hilfe ihrer Kommilitonen haben sie es bei diesen lustigen und lockeren Abenden gelernt. Eine willkommene Abwechslung waren unsere Modeling-Partys auch für die Leute, die gerade an ihren eigenen Diplomprojekten gearbeitet haben.

 

Aufgrund des großen Erfolges und der unglaublichen Produktivität dieser Abende habe ich dieses Modell auch auf andere Projekte angewandt. Für mein Diplomprojekt FAMILY BONDS, ein 2D-Animationsfilm, haben wir dann Coloring-Partys gemacht. Hier durfte man sich einen Shot zum Kolorieren aussuchen – auch das war ein großer Erfolg.

 

Die Hilfsbereitschaft untereinander ist am Animationsinstitut wirklich erstaunlich, denn am Ende sitzen alle im gleichen Boot.

 

Mehr über Nina findest Du hier: LinkedIn

 

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