Was haben ein Landschaftsmaler-Schaf, eine Streetart-Ratte und ein tätowierender Elefant gemeinsam? Die drei ungewöhnlichen Charaktere sind Protagonisten des Projekts MITMALFILM von Trickfilmemacher Uli Seis. Den Anfang nahm das Projekt 2015, wurde danach bei Animation Sans Frontières (ASF) weiterentwickelt und wurde jetzt mit dem Trickstar Business Award des Internationalen Trickfilm-Festivals Stuttgart (ITFS) ausgezeichnet. Wir haben mit Uli Seis über die Idee hinter dem Projekt, seine Zeit bei ASF und wie es danach weiterging gesprochen (Spoiler schon mal an dieser Stelle: Aus dem Projekt wurde ein eigenes Unternehmen).
Wie funktioniert MITMALFILM?
Ein Mitmalfilm ist ein Malbuch für Kinder, das sich in Trickfilme verwandeln lässt. Das funktioniert aus Sicht der Kinder ganz einfach in drei Schritten: Malvorlage bemalen, mit Smartphone oder Tablet fotografieren, Film ansehen. Die Kinder erleben, dass ein richtiger Zeichentrickfilm in ihrem selbst gemalten Bild spielt.
Am besten einfach mal ausprobieren auf www.mitmalfilm.de Das funktioniert auch ohne App-Installation einfach im Browser des Smartphones.
Hinter den Kulissen passiert dabei folgendes (für die Animationsfilmprofis): Auf unseren Servern liegen praktisch fertig produzierte Animationsfilme. Das von den Nutzern und Nutzerinnen gemalte Bild wird per App hochgeladen und z.B. als Hintergrund-Ebene ins Compositing eingefügt und dann zu einem Film gerendert. Wir haben zum Einstieg einen Film, der schon mit einem einzigen Background funktioniert, es gibt auch welche mit drei und mehr Bildern. Es sind dann auch nicht immer nur die Hintergründe, die gemalt werden, sondern auch mal ein Tattoo oder ein Graffiti, das gestaltet wird und dann an einer überraschenden Stelle im Film auftaucht.
Woher kam die Idee zu MITMALFILM?
Die Idee hat sich schrittweise entwickelt. Die Grundidee, Kinder die Hintergrundbilder in einem ansonsten professionellen Animationsfilm malen zu lassen, haben Alice von Gwinner und ich 2015 entwickelt und in einem Musikvideo ausprobiert („Hoch und Tief – der Mitmalfilm“). Das funktionierte zunächst als Workshop sehr erfolgreich. Darauf aufbauend entwickelten wir die Idee, das Konzept als Buch und App auch für Kinder zu Hause umzusetzen.
Kannst du uns etwas zu den Geschichten und den Charakteren erzählen?
Es ist uns wichtig, dass unsere Filme in sich runde, lustige und gute Kurzfilme sind, ganz unabängig davon, dass man sie auch als Mitmalfilm selbst bemalen kann. Unsere Charaktere sind kunstbegeisterte Tiere. Da gibt es z.B. das Landschaftsmaler-Schaf Claude Momäh, die Streetart-Ratte Ranksy und den tätowierenden Elefanten Tattoo-Ed. Abenteuer und Hindernisse bewältigen sie mit fantasievollen Lösungen und den Mitteln der Kunst.
Wie war deine Zeit bei Animation Sans Frontières? Was hast du erlebt?
Ich durfte 2017/2018 an Animation Sans Frontières (ASF) teilnehmen. Es war toll, diese vier großartigen Animationsfilm-Schulen besuchen zu dürfen und dort jeweils zwei Wochen zu lernen und am eigenen Projekt zu arbeiten. Besonders wertvoll fand ich, dass wir Einblicke in verschiedene Produktionsfirmen bekommen haben, sowohl sehr große als auch kleine, junge Firmen, die teilweise auch von ASF-Alumni gegründet wurden. Das Ganze in einer Gruppe von tollen, kreativen Animationsfilmschaffenden zu erleben, war einmalig. Wenn ich dürfte, würde ich es gleich nochmal machen.
Inwiefern hat dir ASF geholfen, dein Projekt zu entwickeln?
Die Lerninhalte, vor allem aber auch das Umfeld haben enorm geholfen und die Entwicklung sicher extrem beschleunigt. Du bist erstmal über Monate in einem intensiven, kreativen Umfeld unterwegs. Du bekommst also ständig Input und qualifiziertes Feedback aus den unterschiedlichsten Richtungen, musst deine Idee immer wieder vorstellen und erklären und findest so auch die entsprechenden Baustellen. Mit gutem Grund wurde viel Zeit auf die richtige Präsentation der Projekte verwendet: Wie mache ich einen guten One-pager, wie überzeuge ich beim Pitch?
Animation Sans Frontières ist ein 4×2-wöchiges, auf Vorlesungen und Workshops basierendes Trainingsprogramm, das jungen europäischen Kreativschaffenden aus den Bereichen Animationsfilm und Produktion ein Verständnis für die europäische und internationale Animationsindustrie und -märkte vermittelt. Klingt gut? Einmal jährlich kannst du dich dafür bewerben.
Wie ging es nach ASF für dich und dein Projekt weiter?
Direkt im Anschluss an ASF konnten wir zunächst mit einer Projektentwicklungsförderung einen Pilotfilm und eine Beta-Version der Mitmalfilm-App produzieren. Ein Jahr darauf konnten wir die Finanzierung für das Projekt auf die Beine stellen und voll in Produktion gehen. Mitmalfilm wird gefördert von der Mitteldeutschen Medienförderung (MDM), der Thüringer Staatskanzlei sowie der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM). Im Oktober 2020 wurde unser erstes Mitmalfilm-Buch „Claude Momäh und die große Leinwand“ im migo-Verlag veröffentlicht. Es enthält drei Mitmalfilme.
Welche nächsten Schritte planst du hinsichtlich deines Projekts?
Aus dem Projekt ist mittlerweile eine Firma geworden. Als nächstes planen wir die Veröffentlichung von zwei weiteren Büchern mit unseren eigenen Filmen. Außerdem machen wir auch Mitmalfilme aus Animationsfilmen anderer Produzentinnen und Autoren. Die Mitmalfilm-Technik macht es ja möglich, animierte Kurzfilme in Form von Malbüchern anzubieten und ist damit aus unserer Sicht ein wirklich sinnvolles Merchandise-Produkt für künstlerisch hochwertige Trickfilme. Es ist nicht das „Malbuch zum Film“, sondern tatsächlich der „Film im Buch“.