Was macht einen erfolgreichen Cartoonisten und Animationsfilmer aus, Steven Appleby?

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Die gemeinsame Eröffnung des Studienjahrs der Filmakademie und der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg findet am Montag, 20. September 2021 um 11 Uhr im Albrecht-Ade-Studio statt. Die Keynote hält dieses Jahr der Cartoonist, Illustrator und Filmemacher Steven Appleby.

 

 

Über Steven

 

Applebys absurd-humoristischer Stil und sein hintergründiges Storytelling sind legendär. Die Karriere des 65-jährigen Briten begann in den 1980er Jahren als Cartoonist der Musikzeitschrift New Music Express (NME). Seine ROCKETS PASSING OVERHEAD-Comic-Strips mit ihrem Hauptcharakter Captain Star erlangten schnell Kultstatus. Daraufhin publizierte er jahrelang in verschiedenen Zeitungen, etwa in der Times, dem Sunday Telegraph oder dem Guardian. In Deutschland waren seine Zeichnungen in der F.A.Z. und der Wochenzeitung Die Zeit zu sehen.

1997 brachte er gemeinsam mit dem Regisseur Pete Bishop die CAPTAIN STAR Animationsserie an den Start. Kürzlich veröffentlichte er sein vielgefeiertes Comicbuch DRAGMAN. Darin mutiert ein Mann zum Superhelden, sobald er Frauenkleider trägt.

Appleby verarbeitete mit diesem Werk eigene Erfahrungen. Sein ganzes Erwachsenenleben lang war er Crossdresser, seit den 90er Jahren geht er offen damit um und lebt seit 2008 ausschließlich als Transgender-Person.

Interview

Lieber Steven, du bist seit langem ein erfolgreicher Indie-Cartoonist. Was würdest du den Studierenden des Animationsinstituts raten? Was braucht es für so eine Karriere?

Für mich selbst ist es schwer zu sagen, warum die Menschen meine Arbeit mögen. Ich denke, neben dem nötigen Glück, hat es im Grunde mit Ideen zu tun. Meine Zeichnungen haben oft einen anderen Blick auf die Welt, aus einer ungewöhnlichen Perspektive. Dennoch glaube ich, es ist wichtig, dass diese Ideen in der Wahrnehmung der Wirklichkeit verankert sind. Die Menschen sollten sich darin wiederfinden, sonst verbindet sich da nichts. Nehmen wir als Beispiel ein Buch, das ich vor Jahren speziell für Deutschland gemacht habe, DIE MEMOIREN DES CAPTAIN STAR. Das ist eine unglaublich verrückte Science-Fiction-Welt, die ich darin entworfen habe. Dennoch geht es auch um alltägliche Dinge, wie typische Ticks und Obsessionen der Figuren, etwa wenn zum Thema wird, dass das Raumschiff regelmäßig gesaugt oder auf der Brücke Staub gewischt werden muss.

Dein Stil gilt als einzigartig und ist mitunter deshalb so beliebt. War es anfangs schwer, an deinen Vorstellungen festzuhalten und trotzdem Aufträge zu bekommen? Von Künster*innen hört man ja auch oft, sie müssten sich an den Markt anpassen, um von ihrer Kunst leben zu können.

Gute Frage. Am Anfang wusste ich nicht, ob mein Stil den Menschen gefällt. Stil ist ja so etwas wie eine Handschrift, die kommt einfach so raus. Ich habe am Royal College bei Quentin Blake studiert. Von ihm lernte ich: Sei du selbst und lass dich nicht in eine Ecke drängen. Es hat auch damit zu tun, dass etwas anderes zu machen, als man selbst will, am Ende oft nicht funktioniert. Ich hatte mal einen kommerziellen Auftrag, die wollten unbedingt, dass ich ein Pinselwerk male. Das war ein Albtraum, weil ich damit überhaupt nicht zufrieden war und ich das einfach nicht konnte. Prinzipiell ist es also sicher besser, bei sich zu bleiben und zu wissen, was man eigentlich will. Dass ich von NME Aufträge bekam, hatte einerseits sehr viel mit Glück zu tun, aber sie kamen auch auf mich zu, weil sie eben genau meinen Stil mochten. So war es auch in Deutschland. Ein Redakteur fand meine NME-Cartoons gut und brachte mich dann in Die Zeit.

Woher nimmst du deine Ideen, hast du da bestimmte Methoden?

Im Rückblick haben meine Sachen fast immer mit etwas zu tun, das ich selbst sehr mag. Captain Star kam aus meiner Liebe zu Science Fiction, also der Crazy-Science Fiction, nicht unbedingt der logisch-wissenschaftlichen Variante. Auch von Charakteren wie Flash Gordon, den ich als Kind sehr mochte, oder STAR TREK, das hinsichtlich der Figuren die Vorlage der Story war. Es kann thematisch eigentlich alles sein, mein Sohn liebt das Gärtnern, also zeichnet er toll Blumen und Pflanzen. Entscheidend ist, denke ich, einer solchen Passion schließlich etwas Neues, Persönliches hinzuzufügen. Ich liebe beispielsweise das Genre der Country House Stories, in Deutschland kennt ihr vielleicht die Agatha Christie-Krimis. Diese Landhauswelt habe ich kopiert und davon eine Version entwickelt, die ein bisschen verrückt ist und deren Charaktere genau meine Obsessionen haben. Der eine macht sich etwa ständig Gedanken um die Vergänglichkeit des Lebens, die andre sucht nach der großen Liebe und so weiter. Bei DRAGMAN ist es offensichtlich mein Transding, das ich mit Superhero-Stories verbinde. Ich schiebe also alte Dinge herum und mache so etwas Neues daraus.

 

An was arbeitest du derzeit?

Derzeit gibt es Verhandlungen mit Sendern, aus DRAGMAN einen Live-Action-Film zu machen, was wirklich cool wäre. Doch Corona hat da leider alles ein wenig verzögert. Daneben arbeite ich noch an ein paar neuen Dingen. Ich war allerdings einer dieser Leute, die nicht so leicht mit den vergangenen Pandemiemonaten klarkamen und irgendwie nicht normal weiterarbeiten konnten. Dass ich nicht reisen konnte, um mein neues Buch zu promoten, war offensichtlich notwendig, aber es machte mich natürlich traurig. Ich war nicht wirklich deprimiert, doch ich fühlte mich flach. Klar habe ich mitgeholfen, DRAGMAN in unterschiedliche Sprachen neu zu setzen. Doch die Inspiration, die ich für ein neues Buch brauche, kam nicht. Allmählich normalisiert sich aber alles wieder. Ich habe zwei Buchideen und ich habe im Gefühl, eine davon lernt gerade fliegen. Ich hoffe, dass zumindest eine davon am Ende etwas wird.

Weiter Infos zu Steven unter www.stevenappleby.com/newspaper

Asleep Awake by Steven Appleby

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