Kurzfilme und Strudel

Dankeschön heißt Köszönöm

people

Wenn man Animation studiert und in diesem Bereich arbeitet, erschafft man visuelle Kunst. Ob es darum geht, einen Charakter zu entwerfen, Hintergründe zu zeichnen oder Concept Art zu erstellen: Animation ist und bleibt ein visuelles Medium. Aber Animation ist viel mehr als das. Es geht auch um die Dinge, die man nicht sieht. Es geht darum, Geschichten zu erzählen, Gedanken zu vermitteln, Emotionen zu wecken, Diskussionen zu entfachen. Für junge Animationskünstler*innen ist diese Brücke zwischen dem Visuellen und dem Nicht-Visuellen jedoch nicht immer leicht zu schlagen.   

Im folgenden Artikel spricht unsere Animationsstudentin Julia Skala über genau diesen inneren Kampf. Julia erzählt uns von ihrem persönlichen künstlerischen Weg und erklärt, wie eine Reise zu einem ungarischen Filmfestival ihre Selbstwahrnehmung als junge Filmemacherin in der Animationsszene gefestigt hat. Leg los, Julia!          

Julia Skala beim Cinemira Teen Filmfestival

Eine künstlerische Reise

Mein Name ist Julia Skala und ich studiere Animationsregie im vierten Jahr am Animationsinstitut. Als ich 2018 mein Studium hier begann, war ich rein auf Concept Art spezialisiert. Ich hatte zuvor Grafikdesign mit dem Schwerpunkt Illustration studiert und wollte unbedingt Visual Development Artist und Character Designer für Animationsfilme werden, nachdem ich lange die Arbeiten der großen US-amerikanischen Animationsstudios bewundert hatte. Visual Development Artists sind für alle visuellen Designs verantwortlich, die man in Animationsfilmen sieht. Dazu gehören die Set Designs, Umgebungen, Requisiten, Creatures, Charaktere und Farbkonzepte für den gesamten Film.

 

Hier gelangst Du zu Julias Website und ihrem Instagram-Kanal

 

Wenn ich so zurückblicke, bin ich in einem Umfeld aufgewachsen, in dem wir nicht viel diskutiert haben. Stattdessen habe ich mich von klein auf darin geübt, diplomatisch und gefällig zu sein. Davon habe ich in den letzten Jahren bei meiner Arbeit als Regiestudentin profitiert. Dennoch blieb eine Zeit lang das Gefühl, nicht berechtigt zu sein, akademische Diskussionen über Kunst und Film zu führen oder diese zu beurteilen. Was gibt mir schon das Recht dafür?

 

Seitdem hat sich vieles geändert. Ich habe immer noch einen starken Fokus auf Visuals und Design, arbeite neben meinem Studium am Animationsinstitut jedoch auch als freiberufliche Illustratorin und Visual Development Artist. Mein Studium hier hat mir die größten Geschenke gemacht, die man einer jungen Künstlerin geben kann, damit sie wachsen und Erfolg haben kann: Verantwortung, Ressourcen und Zeit.

 

Dadurch erkannte ich langsam, dass nicht nur mein visuelles Handwerk, sondern auch meine Gedanken, Philosophien und die Geschichten, die hinter den von mir geschaffenen Bildern stehen, eine große Kraft haben.   

Festivalbesuch in Ungarn

In diesem Herbst besuchte ich das PRIMANIMA Festival in Budaörs, Ungarn, als glückliche Studentin und Vertreterin des Animationsinstituts, aber auch als Reporterin für das East European Film Bulletin – ein Online-Filmmagazin, das Essays, Rezensionen und Interviews über mittel- und osteuropäische Filme veröffentlicht.  Darüber hinaus berichten sie auch über verschiedene Festivals, und dieses Mal hatte ich das Vergnügen, nach Ungarn fahren zu dürfen.

 

Das PRIMANIMA Animation Festival 2022 war ein Festival geprägt von der herzlichen, familiären Gastfreundschaft gegenüber allen Filmemacher*innen und sonstigen Gästen. Nur eine Busfahrt von der Hauptstadt Budapest entfernt, wurden viele internationale, europäische und ungarische Animationsfilme gezeigt, die man nicht verpassen sollte. Das erste ungarische Wort, das ich lernte, war katasztrófa (Katastrophe), das letzte war rántott sajt (gebratener Käse).

Ich erkannte, dass nicht nur mein visuelles Handwerk, sondern auch meine Gedanken, Philosophien und die Geschichten, die hinter den von mir geschaffenen Bildern stehen, eine große Kraft haben.

Julia Skala, Studentin Animation

Das PRIMANIMA-Festival bezeichnet sich selbst als das “Worldwide Festival of First Animations”. Damit beschreibt das Festival seine Bemühungen, die Arbeit junger Animationsfilmemacher*innen zu präsentieren und zu fördern, die entweder noch studieren, gerade ihren Abschluss gemacht haben oder ihre ersten professionellen Projekte nach dem Abschluss produzieren – offiziell bezeichnet als "erste Filme".

 

Nach einer vierzehnstündigen Zugfahrt von Stuttgart kam ich am Bahnhof Budapest-Keleti an. Trotz meines mangelnden ungarischen Wortschatzes fand ich schließlich das Taxi, das mir das Festival geschickt hatte, und wurde nach Budaörs gefahren. Das ist eine kleine Stadt in der Nähe von Budapest, in der sich auch BABtér befindet, die „Budaörs Animation Base and Creative Space“.

 

BABtér fand zum ersten Mal 2016 statt, als gerade das fünfte PRIMANIMA-Festival lief. Das Ziel von BABTér ist es, „die Magie der Animation zu verbreiten". Sie wollen das Handwerk zugänglicher machen, indem sie verschiedene Kurse anbieten und das ganze Jahr über kulturelle Veranstaltungen organisieren (u.a. für Drucktechniken, Stop-Motion-Animation, Graphic Art und Zeichnen).  Außerdem helfen sie Künstler*innen und jungen Filmemacher*innen beim Aufbau eines Netzwerks und bei der Kontaktaufnahme mit Organisationen. BABtér veranstaltet einen Teil der Filmvorführungen während des Festivals (insbesondere das Programm für Kinder, Jugendliche und Filme des Nachtprogramms). Es ist auch die Besucherlounge von PRIMANIMA, in dem alle Mahlzeiten für die Gäste während des Festivals bereitgestellt und in dem abends Musik und Getränke angeboten werden.

 

Die meisten Filme, inklusive des Wettbewerbs für Studierende und dem Masters Award, werden im Jókai Mór Művelődési Ház gezeigt – einem Kino, das sich in unmittelbarer Nähe des BABtér befindet.

 

Deshalb bin ich die ganze Woche eigentlich nur eine Straße rauf und runter gelaufen: vom Essen zu den Vorführungen und dann zu unserer Wohnung, um über die Filme zu schreiben, die ich gesehen habe.

 

Ich teilte mir ein AirBnB, das vom Festival zur Verfügung gestellt wurde, mit drei anderen Gästen: dem ungarischen Puppentheater-Enthusiasten Máté Hirsch, der ungarischen Illustratorin Agnés Szucher und der italienischen Illustratorin, Animatorin und Animationsregisseurin Giulia Martinelli. Die beiden Letztgenannten zeigten ihre Filme LIEBE IN DER ZEIT VON CORONA (2021) und MAREA (2022) auf dem PRIMANIMA-Festival.

 

Als ich nach Ungarn aufbrach, war ich ein wenig angespannt und nervös. Trotz meiner hervorragenden Ausbildung als Animationsfilmemacherin am Animationsinstitut der Filmakademie Baden-Württemberg hatte ich nur wenig Erfahrung im Schreiben über Filme, geschweige denn als echte Autorin. Das ist natürlich ein Perspektivwechsel gegenüber der Arbeit, die ich normalerweise während meines Studiums mache. Glücklicherweise und zu meiner eigenen Überraschung schlug es schnell in Begeisterung um und ich spürte eine Leichtigkeit, als ich die Artikel in Angriff nahm. Der Schreibprozess verlief reibungslos und meine Arbeit wurde gut aufgenommen.

Ich habe schöne Erinnerungen in Ungarn gesammelt, vor allem aber bin ich nun endlich davon überzeugt, dass nicht nur die Bilder, die ich als Künstlerin schaffe, relevant, gut gemacht und bedeutungsvoll sein können, sondern auch meine Worte, persönlichen Meinungen und Interpretationen von Kunst. Eine Erkenntnis, zu der ich erst über viele Umwege gekommen bin.  

 

Ihr könnt meine Artikel über vier der großartigen Filme, die ich beim PRIMANIMA Animation Festival gesehen habe, sowie die Interviews, die ich mit den ungarischen Animationsregisseur*innen Réka Bucsi und Tomek Ducki geführt habe, auf der Website des East European Film Bulletin lesen.

 

Und gleich wieder zurück

Manchmal ist das Leben schon dramatisch ironisch. Nur wenige Wochen nach meiner ersten Reise nach Budapest zum PRIMANIMA-Festival hatte ich letzten Monat erneut die Gelegenheit, dorthin zu reisen: Mein Kommilitone Oscar Jacobson und ich erhielten beim Cinemira Teen Filmfestival eine besondere Erwähnung und eine wunderbare goldene Eichhörnchen-Statue für unseren Animationsfilm SOMMERREGEN (2020), bei dem wir im zweiten Jahr an der Filmakademie gemeinsam Regie geführt haben.

 

Ich wurde auch von meinem Partner und Kommilitonen Benjamin Wahl begleitet, der Animation studiert. Cinemira Teen ist sehr interaktiv und bietet viele Aktivitäten an; wir haben zum ersten Mal direkt auf Film animiert, mit der Greenscreen-Kabine des Festivals herumgespielt und insgesamt dort wunderbar nette Leute getroffen.

Nach all dem: Danke, Ungarn, dass du mich so willkommen geheißen hast – als Reporterin und Animationsfilmemacherin! Wir sehen uns bald wieder.

 

Dieses Jahr wurden beim PRIMANIMA und Cinemira Teen Film Festival keine Filme der Filmakademie gezeigt...also, reicht Eure Filme bis zum Frühjahr 2023 ein und macht Euch bereit für die Reise nach Budaörs im nächsten Herbst! Dann scheint die Sonne so golden wie die ungarischen Strudelkuchen und das Wetter ist perfekt, um Zeit in den heißen Thermalbädern von Budapest zu verbringen.

 

Beitrag teilen