2018 gründen Indie-Games-EntwicklerInnen und Filmschaffende eine kreative und produktive Bürogemeinschaft, darunter viele Alumni des Animationsinstituts von Interaktive Medien bis zu Technical Directing. Seither boomt das „Kokolores-Collective“. Sein Space in der Ludwigsburger Weststadt gilt mittlerweile als einer der wichtigsten Game Hubs in Baden-Württemberg. Wie die Branche wächst auch Kokolores weiter: Das Netzwerk im direkten räumlichen Umfeld der Filmakademie zieht im Frühsommer 2021 in neue, wesentlich, größere Räumlichkeiten und bietet Studierenden des Animationsinstituts Möglichkeiten zum kreativen Austausch.
Das Ludwigsburger Kokolores-Collective besteht derzeit aus 30 Personen von zwölf Unternehmen, die alle etwas mit Games beziehungsweise interaktiven Medien oder Film zu tun haben. Sie verbindet, dass sie sich einen Co-Working-Space nahe des Filmakademie-Campus teilen. Doch das Kokolores ist mehr als eine Bürogemeinschaft.
„Fast alle Firmen haben schon mal an Projekten zusammengearbeitet. Viele kennen sich seit dem Studium, es herrscht hier eine persönliche Atmosphäre“, sagt Kathrin Radtke, die den Co-Working-Space organisiert. „Wir passen alle super zusammen und geben uns auch oft gegenseitig Aufträge“, so die Medieninformatikerin weiter. „Wenn jemand gerade Hilfe an einem Projekt benötigt, fragt man bei den anderen Firmen nach, ob man mal draufschauen kann.“ Zudem testeten sie ihre Produkte gegenseitig – zumindest vor Corona regelmäßig in berüchtigten Playtest-Abenden, gemütlich mit einen Feierabendbier in der Couchecke des Kokolores-Space.
Trotz Pandemie vergrößert sich das Kollektiv diesen Frühsommer. „Der bisherige Raum war schon lange zu klein“, erzählt Kathrin. „Als sich ganz in der Nähe vom jetzigen Space eine Gelegenheit zur Miete in großzügigeren Räumen ergab, schlugen wir zu.“ Nun gibt es bald Platz für weitere Firmen, die sich dem Kollektiv anschließen möchten.
Denn davon gibt es einige und auch bei den jetzigen Mitgliedern läuft es so gut, dass sie ständig neues Personal einstellen. Kathrin arbeitet als Game-Programmiererin für das Studio Fizbin. Es wurde bereits 2011 vom Interactive Media-Absolvent Sebastian Mittag direkt nach seinem Studium am Animationsinstitut gegründet, gemeinsam mit der Filmakademie-Motion-Design-Absolventin Mareike Ottrand und dem Informatiker Alexander Pieper. Alle drei lernten sich am Animationsinstitut bei der Arbeit an Sebastians Abschlussprojekt kennen.
Seither brachte die Firma zahlreiche Games und interaktive Apps auf den Markt, die besonders für ihr außergewöhnliches Storytelling, innovatives Edutainment und die originellen Gamecharacters bekannt sind. Die Firma bekam schon den deutschen Computerspielepreis für die interaktive Installation Spiel des Friedens. Mittlerweile beschäftigt das Studio insgesamt etwa 30 Mitarbeitende und hat einen weiteren Standort in Berlin. Vor dem Release steht derzeit ihr Adventure-Game Minute of Islands.
Die Indie-Game-Schmiede war bei der Entstehung des Kokolores Collectives 2018 federführend. „Fizbin war damals noch kleiner und hatte seine Zentrale nur in einem kleinen Raum des jetzigen Kokolores-Space“, erzählt Kathrin. Hauptsächlich genutzt wurden die Büros damals von der Film- und TV-Produktionsfirma FFL, dem Film- und Fernsehlabor Ludwigsburg. Diese wollte sich gerade an dem Standort verkleinern und da Fizbin wuchs, entschlossen sich Sebastian Mittag und Co, Hauptmieter der Räumlichkeiten zu werden. Alleine konnten sie die Räume aber nicht füllen und fragten in ihrem Netzwerk an befreundeten Gamefirmen und Filmschaffenden aus dem Umfeld der Filmakademie und des Animationsinstituts herum. Die Kokolores-Kollektiv-Idee war geboren.
Interessiert zeigte sich gleich das Spieleentwicklerduo Navel. Das besteht aus Fabian Schaub, der ebenfalls Interaktive Medien am Animationsinstitut studiert hat, und dem Informatiker Thomas Krüger. Sie arbeiteten im Studium gemeinsam an Fabians Diplomgame, brachten es auf dem Markt und machten nach ihrem Studium mit einer eigenen Firma in Ludwigsburg einfach weiter.
Navel entwickelte in den vergangenen Jahren erfolgreiche Partygames, wie Mimics oder Tilt Pack. „Wir sind vor allem auf innovatives Gameplay spezialisiert“, erklärt Thomas, „wir entwickeln Prototypen, die dann in anderen Spielen zum Einsatz kommen können.“ Derzeit arbeiteten sie unter anderem an rhythmusbasierten Steuerungen.
Von Kokolores hörten die beiden das erste Mal auf dem Ludwigsburger Indie-Stammtisch, einem regelmäßigen Treffen unabhängiger SpieleentwicklerInnen. Navel saß zu dieser Zeit in einer alten Ludwigsburger Zahnradfabrik, in der heute schicke Büros gemietet werden können. Hier saßen auch noch andere ehemalige Filmakastudierende. „Allerdings waren wir dort mit der Situation nicht besonders glücklich“, erinnert sich Thomas. „Wir verfolgten nämlich die Idee, für AbsolventInnen des Animationsinstituts einen Ort zu schaffen, an dem man sich nach dem Studium auch in Ludwigsburg verwirklichen kann. Damit man dafür nicht immer ins Ausland oder nach Berlin muss.“ Dafür eignete sich die Kokolores-Idee ideal.
Aus der Zahnradfabrik brachten sie gleich noch einige weitere befreundete Firmen und Freelancer mit. Allen voran die Kreativ- und Werbeagentur mit dem Fokus Gamification und New Media Pixelcloud. Sie wurde wiederum von dem ehemaligen Interaktive Medien-Studierenden Jonas Kirchner gegründet, der am Animationsinstitut 2014 seinen Abschluss in Transmedia & Games Producing machte. Pixelcloud entwickelt mitunter preisgekrönte, interaktive AR/VR Anwendungen und Games für namhafte Firmen wie etwa Puma, Siemens oder Mercedes.
Als Pixelcloud Teil des Kollektivs wurde, zogen auch Freelancer mit in den Kokolores-Space, die mit der Agentur zusammenarbeiteten. So kam etwa der Animationsinstituts-Alumni aus dem Bereich Technical Directing Julian Oberbeck mit ins Boot sowie der Interactive Media-Developer Christoph Rasulis. Beide sind als Freischaffende in der Film-, Game- und Kreativbranche tätig. Zudem bereicherte der selbständige Motion-Designer und Filmaka-Absolvent Patrick Poelchau das Kollektiv. Auch das Film- und Game-Startup Trapped Predator mietete im Kokolores Tische.
Ein anderer selbständiger Absolvent eines Interactive Media-Studiums am Animationsinstitut, der sich in den Space einmietete, war der Transmedia/Games Director Marcel Durer. Er ist für den jüngsten Zuwachs des Kokolores-Kollektivs verantwortlich. Im Dezember 2019 holte er gemeinsam mit Moritz Mugler, der Transmedia/Games Producing am Animationsinstitut studierte, eine Niederlassung der Denkfabrik und Netzwerkagentur Wegesrand in den Kokolores-Space. Für die Agentur entwickelt Marcel als Konzepter und Projektmanager Produkte im Bereich Edutainment und Playful Learning. Beispielswiese sind Moritz und er für das Spiel Felicitas Fogg – In 80 Karten um die Welt der Stiftung „Deutschland Sicher im Netz“ verantwortlich.
Moritz und Marcel haben mittlerweile drei Mitabreitende und suchen derzeit noch mehr. Für Marcel ist klar, dass das Wachstum seiner Agentur innerhalb des Kokolores-Space geschieht.
Wir kommen hier alle inhaltlich aus ähnlichen Bereichen. Da ist es naheliegend, dass man zusammenarbeitet und sich gegenseitig hilft und weiterbringt. Hier gibt es eine geballte kreative Kompetenz.
Marcel DurerFast alle Mitglieder des Space sind auf Wachstumskurs. Die „geballte Kompetenz“, wie Marcel es nennt, blieb auch von der Politik nicht unbemerkt. Die Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg, die Medienförderung des Landes, sieht im Kokolores-Space einen der wichtigsten Game Hubs in Baden-Württemberg. Selbst die Forschungsministerin Baden-Württembergs schaute schon einmal vorbei. „Der Umzug in das Kokolors-Kollektiv hat sich allein deshalb für uns gelohnt“, sagt Thomas von Navel. „Wir werden als ein Leuchtturm-Projekt wahrgenommen. Das ermöglichte uns schon einige Förderungen für Ideen und Vorhaben.“
In Sachen Nachwuchs zahlt sich für den Kokolores-Space die Nähe und die noch bestehende Verbindung zum Animationsinstitut aus. Immer wieder helfen Studierende des Instituts hier bei Projekten als PraktikantInnen mit oder finden eine Arbeitsstelle nach dem Studium, zuletzt etwa Producing-Absolventin Jana Günther bei Wegesrand.
Man darf gespannt sein, was im Kokoloroes-Netzwerk künftig noch entstehen wird. Einen Eindruck davon bekommt man bei der diesjährigen FMX Conference (Online, 4.-6. Mai). Beim Live-Studio-Panel What’s next? Charting the different roadmaps available to game and XR developers to bring their innovative ideas to life wird Kathrin für Kokolores mit am Tisch sitzen und von den glänzenden Perspektiven und Entwicklungen auf dem Baden-Württembergischen Gamesmarkt berichten.