Vom Animationsinstitut zur FMX, von dort in das Studio von Stop-Motion-Legende Phil Tippett und weiter zu – wir können es selbst kaum glauben, wenn wir das lesen – STAR WARS. Das ist die Kurzvariante davon, was unserem Animationsstudenten Arne Hain tatsächlich passiert ist. Die längere Variante ist noch viel aufregender. Viel Spaß bei Arnes persönlichem Erfahrungsbericht!
Ich bin 26 Jahre alt und studiere seit 2015 Animation an der Filmakademie Baden-Württemberg. Seit frühster Kindheit bin ich Filmenthusiast und habe schon mit acht Jahren angefangen, eigene Filme zu drehen. So ist das bei den meisten, die ich in der Branche kenne.
Eine besonders große Leidenschaft habe ich für die Technik der Stop-Motion-Animation. Hier werden Figuren handgefertigt, einzelbildweise bewegt und abfotografiert. Eine alte Technik, die heutzutage größtenteils von der Computeranimation abgelöst wurde. Mich verbindet mit der Technik nicht nur meine Affinität, Dinge mit den Händen zu bauen, sondern auch der Glaube daran, dass sie dem Zuschauer eine ganz spezielle Magie vermittelt. Das Auge sieht immer den Unterschied zu einem Objekt, das wirklich existiert und einem computergenerierten Gegenstand. Es fühlt sich echt an, denn es ist echt.
Mein achtjähriges Ich hätte mir nicht geglaubt, hätte ich ihm erzählt, dass ich einmal eine Szene für einen Teil der STAR-WARS-Saga animieren würde.
Arne Hain, Student AnimationsinstitutHeutzutage ist Stop-Motion selten gesehen und es kommt noch seltener vor, dass ein großer Film gedreht wird, in dem die Stop-Motion-Technik zum Einsatz kommt. Als es noch keine Computer gab, wurden viele der Effekte in großen Hollywood-Filmen mit Stop-Motion umgesetzt. Pioniere dieser Zeit waren Willis O’Brien, später Ray Harryhausen und von ihm inspiriert Phil Tippett.
Phil hat in den Siebzigerjahren die Animationen für STAR WARS gemacht, später sein eigenes Studio gegründet und den Wandel von Stop-Motion zu Computeranimation mit entworfen. So war er auch für die Animationen in ROBOCOP, JURASSIC PARK und STARSHIP TROOPERS verantwortlich und hat insgesamt zwei Oscars für seine Arbeit gewonnen. Doch der Wandel zur Computeranimation hat sein Leben sehr verändert. Heute existiert Tippett Studios nach wie vor, aber die Mitarbeitenden verdienen ihr Geld mit Computeranimation für große Filmproduktionen und Themenpark-Entertainment.
Das Animationsinstitut der Filmakademie Baden-Württemberg richtet jedes Jahr eine große Konferenz, die FMX, inhaltlich aus. Hier kommen Speaker aus der ganzen Welt und präsentieren ihre Arbeit. Wir Studierenden haben die Möglichkeit, diese Speaker zu betreuen und sie somit näher kennen zu lernen. Als ich gehört habe, dass Phil Tippett zu Gast sein würde, konnte ich mein Glück nicht fassen. Schon drei Wochen im Voraus bin ich zu meiner Studienkoordinatorin gegangen und habe mich für Phil Tippett als Betreuer eintragen lassen.
Als wir uns dann getroffen haben, haben Phil und ich uns super verstanden. Wir haben das ein oder andere Bier getrunken und er war sehr erleichtert, dass ich nicht nur über VFX und STAR WARS reden wollte. Als ich Interesse an seinem Projekt MAD GOD geäußert habe, hat er mich kurzerhand zu sich in die USA eingeladen, um einmal für sechs Wochen mitzuhelfen. Ich konnte mein Glück gar nicht fassen. Also habe ich meine Sachen gepackt und bin ab in die USA nach Berkeley, Kalifornien.
Für die Zeit wurde ich sogar bei Phil und seiner Frau im Gästezimmer einquartiert und hatte somit die Chance, die beiden sehr gut kennenzulernen. Phils Partnerin Jules hat zusammen mit ihm die Tippett Studios gegründet und sie bis vor Kurzem geleitet. Die Arbeit am Projekt war toll. Es war wie meine eigenen Filme zu drehen, nur im großen Maßstab mit haufenweise Equipment und Platz. Die sechs Wochen vergingen im Fluge, und als ich wieder in Deutschland war, rief mich Phil an. Er bot mir an, ein Visum für mich zu organisieren und mich für acht Monate bei Tippett Studios einzustellen. Das ließ ich mir natürlich nicht entgehen.
Im Frühjahr zog ich wieder bei Phil und Jules ein und jeden Tag fuhren Phil und ich gemeinsam ins Studio, um MAD GOD fertig zu stellen. Dazu muss man wissen, dass Phil über dreißig Jahre an MAD GOD arbeitete. Weil es keine konstante Finanzierung gab, war das nicht immer leicht. Phil ist ein unglaublich fokussierter und beeindruckender Mensch. Jeden Tag, außer Sonntag, fährt er ins Studio, setzt sich in die Meetings seiner Firma und fängt danach an zu basteln und zu werkeln. Dabei ist er sich für keinen Job zu schade. Ich hätte keinen besseren Lehrer als Phil haben können und nach kurzem Eingewöhnen ließ er mich einfach werkeln und jeder ging seinen Aufgaben nach.
Ich habe Tippett Studios in meiner Zeit dort fest ins Herz geschlossen. Ich hatte das Vergnügen, eine Menge erfahrene und liebe Menschen kennenzulernen. Darunter Jim Aupperle, der schon bei Filmen wie GHOSTBUSTERS und NIGHTMARE BEFORE CHRISTMAS mitgemacht hat, sowie Webster Colcord, Chuck Duke und Tom Gibbons, die unglaublich tolle Stop-Motion-Animatoren sind und mir sehr viel beigebracht haben. Chris Morley, der eine große Rolle bei MAD GOD als Kameramann spielte und Ken Rogersson, der das Projekt als Editor betreute.
Inzwischen ist MAD GOD fertiggestellt, lief erfolgreich auf Festivals weltweit und wird ab Juni 2022 zum Streaming verfügbar sein.
Chuck Duke, Tom Gibbons und Arne Hain
Kurz vor Beendigung von MAD GOD kam dann die Nachricht, dass das Studio wieder das Dejarik-Schachbrett für den neuen Star-Wars-Film THE RISE OF SKYWALKER übernehmen würde. Das ist eine Szene, die schon im ersten Star-Wars-Film vorkommt, damals Stop-Motion animiert von Phil Tippett. Seit den neuesten Filmen wurde immer eine Szene mit diesem Schachbrett integriert. Dieses wurde auch in den neuen Filmen mit der Stop-Motion-Technik umgesetzt. Weil ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort war, gab Phil mir die Chance, dieses Mal an der Szene mitzuanimieren. Zusammen mit Chuck Duke und Tom Gibbons animierte ich also das Dejarik-Schachbrett für STAR WARS: THE RISE OF SKYWALKER.
Ich kann mein Glück immer noch nicht fassen, aber später kann ich meinen Enkelinnen und Enkeln erzählen, dass ich bei STAR WARS animiert habe.