Als Mathecrack zur Traumfabrik

Alumni im Portrait: Markus Kranzler

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Markus Kranzler liebte schon immer die Filme des Animationsfilmstudios Pixar. Sein großer Traum war es, einmal selbst an einem mitzuwirken. Mit einem Aufbaustudium am Animationsinstitut in Technical Directing konnte ihn sich der Mathematiker erfüllen. Heute hilft er Pixar, wunderschöne Blockbuster entstehen zu lassen.

Lies weiter und erfahre, wie ihn das Animationsinstitut und schließlich die FMX nach Kalifornien brachten.

 

 

Filme spielten in Markus Kranzlers Leben immer eine große Rolle. „Ich komme aus einer Cineastenfamilie“, erzählt er, „in der Videothek waren wir Stammgäste. Während bei anderen die Sportschau lief, schauten wir die neusten Blockbuster.“
„Pixar war immer mein Traum“, sagt er. Schon in seiner Jugend war Markus sehr beeindruckt von Filmen des Studios, etwa vom legendären Toy Story Movie, der als erster komplett computeranimierter Spielfilm gilt. „Bei Pixarfilmen liebe ich die Universalität der Geschichten. Sie sind nie nur für Kinder, sondern geben immer auch Erwachsenen viel.“ Dass er seit einigen Jahren genau dort, in den Pixar Animation Studios in Emeryville bei San Fransisco, als Technical Director in der Filmindustrie mitmischt, ist für ihn ein großes Glück.

 

Zunächst erschien es ihm jedoch eher unwahrscheinlich. Bereits während er im beschaulichen mittelhessischen Städtchen Braunfels aufwuchs, hegte er zwar den Wunsch, sich selbst einmal beruflich mit Animationsfilmen zu beschäftigen. Doch als er mit der Schule fertig war, fand er als Ausbildungsmöglichkeiten in diesem Bereich nur eine private Schule in Babelsberg, die ihm zu teuer war. Für ein Studium an der staatlichen und daher kostenfreien Filmakademie Baden-Württemberg waren Praktika nötig, die er nicht vorweisen konnte.

 

 

Mit Mathe und Informatik in die Filmbranche

Daher entschied sich Markus, erst einmal ein anderes Studium anzugehen. Mathematik fiel ihm in der Schule leicht, so schrieb er sich dafür in der Technischen Hochschule Mittelhessen in Friedberg ein. Im ersten Semester hörte er dort von einem Seminar im Bereich Medieninformatik, in dem es um grafische Datenverarbeitung ging. Markus nahm als Gasthörer teil. „Hier habe ich das erste Mal gemerkt, hoppla, hier kann man also als Mathematiker und Informatiker also sein Wissen anwenden“, erinnert sich Markus.
Von da an befasste er sich während seines Studiums immer stärker mit diesem Feld, konzentrierte sich aufs Programmieren und beschäftigte sich mit den Grundlagen der sogenannten Bildsynthese, also der computergrafischen Erzeugung von Bildern durch geometrische Beschreibungen. Auch die dafür von Pixar entwickelte Software RenderMan lernte er damals erstmals kennen.

 

 

Experte in grafischer Datenverarbeitung

Nach und nach wurde Markus zu einem Experten in der grafischen Datenverarbeitung. Sein erstes Praktikum machte er bei der Wiesbadener Firma Weltenbauer, die sich unter anderem auf 3D Visualisierungen und Computerspiele spezialisiert. Für sein Mathediplom zog es ihn schließlich nach München zur Firma Trixter, die visuelle Effekte für Spielfilme kreiert. In Zusammenarbeit mit Trixter schreibt er seine Abschlussarbeit mit dem Titel „Evaluation of Spherical Harmonic Lighting and Ambient Occlusion as Shadowing Techniques for Image Synthesis”. Spherical Harmonics (dt. Kugelflächenfunktionen) kommen aus dem Bereich der komplexen Mathematik und Markus erforschte in seiner Arbeit, wie damit dynamische Licht- und Schatteneffekte computergrafisch noch realistischer approximiert werden können. Für Trixter machte er diese Technik innerhalb der Software RenderMan einsetzbar.

Nach seinem Abschluss in Friedberg im Jahr 2011 standen ihm viele Wege offen. Er erhielt einige Jobangebote, Markus Expertise war begehrt. „Ich fühlte mich jedoch noch nicht bereit, um in die Industrie zu gehen. Bisher hatte ich vor allem theoretische Erfahrung.“ Er wollte lieber erst seine Kenntnisse in unterschiedlichen Feldern praktisch anwenden, sich in verschiedenen Bereichen ausprobieren und eigene Projekte entwickeln.

 

 

Praktische Erfahrung am Animationsinstitut – der Schlüssel ins Business

Daher war für ihn klar, als nächsten Schritt es mit einem Aufbaustudium in Technical Directing am Animationsinstitut der Filmakademie Baden-Württemberg zu versuchen. Bereits bei seinen Praktika hätte Markus bemerkt, dass „Alumni aus Ludwigsburg in der Branche mit Handkuss genommen werden.“

Die Bewerbung glückte und er studierte hier von 2011 an. In seiner Zeit am Animationsinstitut war er an zahlreichen Filmprojekten der Filmakademie beteiligt. Als erstes arbeitete er am Kurzfilm Natalis beim Lighting und Shading mit. Er begann sich anschließend auch mit VFX zu beschäftigen und erlernte die Software Houdini. Beim Projekt Rollin’ Safari, das urkomische Trailer für die FMX und das ITFS Trickfilmfestival 2013 kreierte, gestaltete er Sand- und Staub-Effekte mit.

Abschlussprojekt The Present bekam über 50 Awards

Für den Kurzfilm Wedding Cake ging er wieder zurück zum Lighting. Nach dem Ausfall eines Kommilitonen wurde er gebeten, die Rolle als Lighting Lead zu übernehmen, um das in Verzug geratene Projekt noch rechtzeitig zum Diplom fertig zu stellen. Bereits hier wird deutlich, wie Markus es verstand, technisch effektvolle Licht- und Schatten-Kompositionen umzusetzen. Zur vollen Entfaltung kamen seine Skills bei seinem Abschlussprojekt The Present, an dem er mit Regisseur Jacob Frey zusammenarbeitete. Der ergreifende Kurzfilm, in dem Markus im Alleingang das lighting, shading und rendering übernahm, die Pipeline programmierte und für das Fell des Protagonisten verantwortlich war, ist sowohl visuell als auch inhaltlich beindruckend. The Present gewann auf Festivals weltweit über 50 Awards.

 

In seiner Zeit in Ludwigsburg entwickelte er zudem ein open source tool, das mit OpenVDB von Dreamworks und SeExpr von Disney arbeitet. In den Semesterferien freelancte er für Trixter als Lighting TD. Hier arbeitete er unter anderem am Film Iron Man 3. Während des Studiums konnte er darüber hinaus ein Praktikum bei MPC in London absolvieren, wo er am James Bond Film Skyfall und an Superman: Man of Steel mitarbeitete.

 

„Für meine spätere Karriere hat mich meine Zeit am Animationsinstitut sehr gut vorbereitet“, betont Markus. „Ich konnte hier quasi zwei Jahre Berufserfahrung sammeln und zugleich in Workshops meine Skills entwickeln.“ Er schätzte die persönliche Atmosphäre am Institut und die flachen Hierarchien in der Leitung hinsichtlich der Studiengestaltung. Ihm sei es beispielsweise möglich gewesen, sein Studium selbst mit zu formen, indem er Gastdozierende aus der Industrie vorschlug. Das Animationsinstitut bemühte sich dann darum, diese Personen für Workshops zu gewinnen.
Sehr hilfreich sei darüber hinaus gewesen, durch die enge Teamarbeit an den Studierendenprojekten alle Bereiche einer VFX- und Animation-Produktion kennenzulernen. Er konnte sich selbst darin ausprobieren, sowohl hinsichtlich der technischen als auch der künstlerischen Aspekte. „Ich habe viele Interessen. Da war es gut, dass man nicht von vorneherein in eine Box gezwängt wird“, findet Markus.

 

 

Über das Netzwerk des Animationsinstituts erstmals Kontakt zu Pixar

Ein großer Vorteil des Studiums sieht er auch in dem Netzwerk, in das man am Animationsinstitut gelangt. Ein gutes Beispiel sei dafür die FMX, eine vom Animationsinstitut einmal jährlich veranstaltete internationale Konferenz in Sachen Animation, Effects, Games und Immersive Media. Als Studierender bekomme man hier, so Markus, die neusten technischen Entwicklungen mit, hört Vorträge von interessanten Speakern und trifft persönlich auf leitende Mitarbeitende von etlichen Branchenriesen. Da Studierende in der Zeit der Messe sich als sogenannte Student Guides um Speaker kümmern, machte Markus hier früh die Bekanntschaft mit TDs von Pixar.

 

Auf der FMX stellen die Studierenden des Animationsinstituts auch ihre Projekte vor. Hier wurde Pixar schließlich auf Markus Arbeit aufmerksam. „Nach meinem Vortrag kamen Recruiter von Pixar auf mich zu und sagten mir, es gefällt ihnen gut, wie ,artistfriendly‘ ich die Tools programmieren würde“, erzählt Markus. Sie rieten ihm dann, es mal mit einer Bewerbung bei Pixars Resident-Programm für Uniabsolventen zu versuchen. Genau das tat Markus nach seinem Abschluss und es gelang tatsächlich. „Dass ich durch mein Studium am Animationsinstitut recht vielseitig aufgestellt war, hat, denke ich, mit den Ausschlag gegeben“.

 

Sein Traum wurde also wahr. Bald nach seinem Diplom ging’s für Markus nach Kalifornien, um für ein Jahr eine Stelle als sogenannter Resident TD bei Pixar anzutreten. Währenddessen arbeitete er dabei vor allem an der Produktion The Good Dinosaur (dt. Titel Arlo und Spot). Die Hintergründe, insbesondere die Natur, spielen bei dem Familienabenteuerfilm eine besondere Rolle. Er half mit, einen neuartigen Workflow zu entwickeln, um Wolken effizient volumetrisch darzustellen.

Mit Begabten-Visa zur festen Stelle

Sechs Monate bevor das Resident-Programm auslief, bot Pixar dem talentierten Nachwuchs-TD eine Festanstellung an. Allerdings gab es damals Schwierigkeiten für ihn, an ein reguläres H-1B Arbeitsvisum zu gelangen. Aufgrund der stetig steigenden Nachfrage auf die geringe Anzahl von USA-Visa entscheidet inzwischen ein Losverfahren über die Vergabe, bei der Markus leer ausging. Als er sich bereits auf die Rückreise mit einer einstweiligen Zukunft in Europa abgefunden hatte, probierten es er und die Verantwortlichen von Pixar nochmal mit einer speziellen Bewerbung um ein 01-Visa. Das wird beim Beweis von außergewöhnlichen Fähigkeiten gewährt. Hier zahlten sich die über 50 Awards für The Present sowie Empfehlungsschreiben von Führungspersönlichkeiten aus der Branche aus und Markus bekam am Ende doch die Arbeitserlaubnis.
Seither ist er fest als Technical Director für Pixar tätig. Bei Findet Dori kümmerte er sich nochmals um die Wolken, bei Coco arbeite er dann im Lighting und für Cars 3 war er sowohl beim Character Shading als auch Lighting beteiligt. Eine solche Generalistenrolle ist bei Pixar eigentlich ungewöhnlich.

 

 

Bei Soul von Beginn an mit am Look gefeilt

Bei Pixar etablierte sich Markus zuletzt immer mehr. Beim aktuellen Weihnachtsfilm des Studios Soul hatte er federführend Einfluss auf die Gestaltung. Zusammen mit Künstlern aus verschiedenen Abteilungen entwickelte er von Beginn an wichtige Tools und Workflows für den einzigartigen Look des Films. „Ich bin ich ziemlich stolz darauf, was es für ein toller Film geworden ist“, sagt Markus, auch wenn er ein wenig traurig ist, dass Soul durch die Coronakrise nicht auf der großen Leinwand, sondern nur im Streamingdienst läuft.

 

Studierenden, die einen ähnlichen Weg wie er einschlagen möchten, rät er, stets interessiert an neuen Entwicklungen zu bleiben. Man sollte auch immer freundlich und hilfsbereit bleiben. „Das Schöne an der Branche ist, dass sie nicht allzu groß ist. Man kennt einander. Daher spricht sich aber auch schnell rum, wenn Leute ungern mit einem zusammenarbeiten. Außerdem ist die Arbeit oft stressig genug, da ist es viel angenehmer, wenn man nicht nur Kollegen, sondern Freunde um sich hat.“

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