Ein Musikvideo für die Lieblingsband

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Sebastian Nozon macht VFX für Blockbuster wie Matrix Resurrections und Serienhits wie Babylon Berlin. Das absolute Herzensprojekt des Animationsinstituts-Alumnus war jedoch sein Clip für die Kultband Knorkator.

Sebastian Nozon hat für Knorkator die Last der digitalen Welt inszeniert

 

Der Song IHR HABT GEWONNEN handelt von der Vereinsamung, an der viele Menschen leiden, obwohl im Zeitalter der sozialen Medien alle ständig miteinander verbunden sein können. Er stammt von der Berliner Kultband Knorkator, die eigentlich eher für satirische Lieder bekannt ist. Zu dem Stück brachte die Band ein Musikvideo mit imposanten Bildern heraus. Sänger Gero Ivers, genannt Stumpen, ist hier etwa allein in einer Wohnung zu sehen, die von einer verkabelten Maschinenwelt umschlossen erscheint. In anderen Szenen singt er gegen eine riesige Wand aus Smartphones an, aus denen tausende Gesichter blicken.

 

Fragwürdige Bonbon-Welt auf Instagram und Co

 

„Die Stimmung des Videos steht für das Gefühl des resignierenden Individuums, das einen aussichtslosen Kampf gegen eine große Masse kämpft“, erklärt Regisseur Sebastian Nozon. Er konnte selbst aussuchen, welchen Song er vom aktuellen Knorkator Album inszeniert. Seine Wahl fiel sofort auf dieses Stück. „Als Vater einer fünfjährigen Tochter sehe ich es als eine große Herausforderung, ihr den richtigen Umgang mit den Sozialen Medien beizubringen.“

 

Natürlich sei das Internet eine tolle Sache, erläutert Sebastian weiter, doch wenn man damit nicht mündig umgehe, könne viel Schlechtes passieren. Seine Frau sei Lehrerin, da bekomme er einiges mit. „Es ist eine Scheinwelt, die immer das Optimum darstellt. Das, was nicht so gut läuft, ist kaum präsent. Die gefilterte Bonbon-Welt auf Instagram und Co gibt es so nicht. Wer versucht sich damit zu messen, kann eigentlich nur scheitern. Das wollte ich mit dem Video ein Stückweit anprangern.“

 

Alumnus des Animationstituts Sebastian Nozon

 

Erfüllung eines langgehegten Traums

 

Mit der Chance einen Clip für Knorkator zu drehen, wurde für Sebastian ein Traum wahr. Der Berliner lernte die Band schon mit 10 durch seinen Vater kennen. Seither ist er Fan und war auf etlichen ihrer Konzerte. „Immer, wenn ich die höre, macht mich das einfach glücklich“, sagt er. Seit er Filmemacher ist, wollte er für seine All-Time-Favorite-Band unbedingt ein Musikvideo drehen. Schon vor langer Zeit nahm er sich vor, sich bei Knorkator dafür anzubieten. „Irgendwie habe ich das aber nie gemacht. Es kam immer etwas dazwischen. Andere Projekte, ich habe eine Firma gegründet, eine Tochter bekommen und so weiter.“

 

Als er 40 wurde und hörte, die Band plane, ein neues Album zu veröffentlichen, sagte er zu sich: Wenn du es jetzt nicht machst, machst du es nie! „Ich habe mich mit einer Flasche Wein auf den Balkon gesetzt, meinen Mut zusammen genommen und denen einfach eine E-Mail geschrieben“, erinnert er sich. Keine fünf Stunden später bekam er eine Antwort. Sänger Gero Ivers schrieb ihm persönlich und ohne große Umschweife zurück. Inhalt in etwa: ,klingt gut, lass machen‘. Sebastian konnte sein Glück kaum fassen. Nicht nur würde er für seine Rockhelden ein Video drehen, sondern sie auch persönlich näher kennenlernen.

Stills aus dem Clip (klicken zum Vergrößern)

 

Mit eigener Firma VFX für Blockbuster und Serienhits

 

Sebastian Nozon beschäftigte sich schon in seiner Schulzeit mit 3D-Animation. Mit 22 wurde er zum Studium an der Filmakademie Baden-Württemberg angenommen und spezialisierte sich darauf an ihrem Animationsinstitut auf Visuelle Effekte. 2011 bekam er sein Diplom und ging für gutes Jahr nach Los Angeles. Hier arbeitete er unter anderem für die Firma Ingenuity Engine, wo er etwa ein Musikvideo für EMINEM mitgestaltete. Zurück in seiner Heimatstadt Berlin wirkte er an größeren Projekten mit, beispielsweise beim Film CLOUD ATLAS mit Tom Hanks und Hale Berry. Diese Engagements setzten sich bei anderen Produktionen fort. Immer wieder war Sebastian darüber hinaus auch für VFX-Schmieden wie Rise oder Trixter freischaffend tätig.

 

2018 gründete er dann zusammen mit Florian Ast seine eigene Firma namens InHouse VFX. Sie ist beispielsweise mitverantwortlich für VFX der Erfolgsserie BABYLON BERLIN oder von Netflix‘ BARBAREN. Auch bei Filmen wie MATRIX RESURRECTIONS oder GUNS AKIMBO mit Daniel Ratcliffe und Musikvideos der Band Ramstein wirkte InHouse VFX schon mit. Mittlerweile arbeitet er im Schnitt mit einem Team von 16 Freelancern zusammen. „Es wird spannend, wie sich das Ganze noch weiterentwickelt“, sagt er. „Anfangs haben wir vor allem Aufträge von deutschen Firmen bekommen, zuletzt wurden die Anfragen aber internationaler, beispielsweise von großen Netflix-Produktionen. Man vertraut Flo und mir immer mehr und weiß mittlerweile, wir können auch größer“.

 

Beispiele von Produktionen, an denen Sebastian mit seiner Firma inHouse VFX mitwirkte (klicken zum Vergrößern)

 

Knorkator-Video wird zum Herzensprojekt

 

Obwohl das Budget für das recht ambitionierte Knorkator-Video nicht groß genug war, versuchte Sebastian alles herauszuholen. „Dies war nur deshalb möglich, weil Florian mir komplett den Rücken stärkte und nicht nur beim Projekt selbst maßgeblich mitwirkte, sondern mir auch das Tagesgeschäft für einige Wochen vom Hals hielt“, betont er. Sebastian gelang es Leute, mit denen er sonst auch zusammenarbeitete für geringe Honorare in die Produktion zu holen. „Der Dreh selbst war eine Art Familienprojekt: Meine Eltern haben das Catering gemacht und ich schleppte ein paar meiner eigenen Möbel ans Set.“

 

Beim Dreh bekam Sebastian Unterstützung von Freund*innen und Familie

 

Auch die Band selbst half mit. Sie rief etwa ihre Fancommunity dazu auf, Videos von ihnen zu schicken, wie sie den Chorpart des Songs zu singen. Die Gesichter aus den etlichen zum Teil sehr lustigen Einsendungen kamen schließlich auf die Smartphones. Besonders hebt Sebastian die Arbeit seines Freundes und langjährigen Geschäftspartners Tonio Freitag hervor. „Er hat die virtuelle Welt mit den Bildschirmen gestaltet und alles sehr präzise und toll hingekriegt“, schwärmt er. Beide kannten sich schon als Jugendliche, studierten zusammen an der Filmakademie und arbeiten regelmäßig gemeinsamen an Projekten.

 

Tonio ist freischaffender VFX- und Technical Artist und auch als freier Dozent am Animationsinstitut tätig. Er betreut etwa den Set Extension Workshop an der Filmakademie (Lese hier mehr über den SEW). „In manchen Shots sind über 5000 Smartphones zu sehen“, erinnert sich Tonio an die Arbeit am Video. „So etwas zu machen, ohne dass eine Wiederholung auffällt, ist eine Mischung aus kreativen und technischen Problemen, die mir liegt.“

 

Behind the scenes beim Dreh zum IHR HABT GEWONNEN-Video (klicken zum Vergrößern)

 

„Filmakademie großartiger Wegbereiter für Filmschaffende in allen Bereichen“

 

„Beim ersten Hören des Songs entstanden bei mir im Kopf gleich die Bilder, die mehr oder weniger genauso in der finalen Fassung des Videos zu sehen sind“, erinnert sich Sebastian. „Mit der Umsetzung des Projekts ging’s für dann mich quasi zurück zu den Wurzeln. Wie einst an der Filmakademie gelernt, habe ich ein kleines Filmprojekt von A bis Z selbst realisiert.“

 

Während viele seiner anderen Projekte als VFX-Künstler und -Supervisor von einem hohen Maß an Arbeitsteilung bestimmt sind, ging Sebastian das Knorkator-Video so an, wie es dem Prinzip der Projektarbeit von Studierenden am Animationsinstitut entspricht. Er habe erst ein eigenes Drehbuch geschrieben, dann seine Realisierung vorgeplant und sich schließlich Leute gesucht, die bei der Umsetzung helfen. „Im Prinzip habe ich Filmakademie gespielt.“ Am Ende bekommen man so ein Unterfangen nur gemeinsam als Team realisiert. Das sei eines der wichtigsten Lehren aus dem Studium an der Aka.

 

In seinem Studium am Animationsinstitut sorgte Sebastian beispielsweise für die VFX in einem Werbeclip für WWF

 

Auch in der Struktur des Vorgehens erinnerte sich an seine ehemalige Filmschule: „Man schreibt erst mal auf, was man denkt. Dann holt man sich Feedback über das Geschriebene. Darauf setzt man es in Moodpics um, um die Stimmung zu beschreiben“, erklärt er. Anschließend zeichnet man den Film als kleine Bilder und fügt sie zu einem Storyboard zusammen und macht schließlich ein Animatic, in dem die Bilder schon zeitlich geschnitten sind daraus. Dadurch wisse man, ob es funktioniert und es sich überhaupt lohne, das Budget zu investieren.

 

Seine Ausbildung hätte ihm sehr geholfen, das Video verwirklichen zu können. „Die Filmakademie ist großartiger Wegbereiter für Filmschaffende für alle Bereiche“, unterstreicht Sebastian. „Du bekommst ein extrem gutes Netzwerk und lernst alle Werkzeuge kennen.“ Das zahle sich aus. Er treffe bei seiner Arbeit immer wieder auf Absolventinnen und Absolventen der Aka. „Das soll sich jetzt nicht arrogant anhören, aber wenn man die irgendwo trifft, weiß man, dass die Sache gut laufen wird. Wir sind einfach gut ausgebildet.“

 

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