Raumgestaltung, Raumwirkung, Rauminszenierung, Raumerlebnis. Wohl kaum jemand war in den vergangenen dreißig Jahren auf diesen Feldern einflussreicher als Uwe R. Brückner. Der Architekt, Szenograf und Bühnenbildner gründete 1997 das Atelier Brückner, das heute zu den weltweit bedeutendsten Architektur- und Scenographiebüros zählt, insbesondere bei der Gestaltung von Museen, Ausstellungen und Messeauftritten.
Der Handelssaal der deutschen Börse in Frankfurt, das Grand Egyptian Museum in Gizeh, das BMW Museum in München, das Besuchermuseum des EU-Parlaments oder Dauerausstellungen im Schweizerischen Nationalmuseum in Zürich sind nur ein paar Beispiele von weit über zweihundert wegweisenden Ausstellungsdesigns und Architekturen, für die er und sein Büro verantwortlich ist. In der Stuttgarter Region unternahm das Atelier etwa den Umbau der Wagenhallen oder konzipierte die Dauerausstellungen des Hauses der Geschichte und des Limesmuseums in Aalen.
Mittlerweile gehen sie getrennte Wege, der 63jährige und das Atelier Brückner, das in Stuttgart-Bad Cannstatt und Korea über hundert Mitarbeitende beschäftigt. Das bedeutet jedoch nicht, dass er sich nun auf seinem Altenteil ausruht. Vielmehr konzentriert er sich mit seinem STUDIO UWE BRUECKNER künftig wieder stärker auf innovative Scenographie, seine akademische Tätigkeit und sein Werk als Gestaltungstheoretiker. Seit 2003 ist er Professor für Ausstellungsgestaltung und Szenografie am von ihm mitbegründeten Institut für Innenarchitektur und Szenografie der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW in Basel. Zudem versammelt er derzeit ein kleineres Team um sich und plant neue Arbeiten mit einem eher künstlerischen Fokus. „Ich will weiterhin Projekte machen, die in der Szenografie neue Wege beschreiten und in die Zukunft weisen“, betont Brückner.
Uwe R. Brückner prägte maßgeblich eine Weiterentwicklung der im 20. Jahrhundert bestimmenden Gestaltungsformel von Sullivan‘s „form follows function“ hin zu seinem Credo „form follows content“. Funktionale Gesichtspunkte erweitert er durch eine Analyse inhaltlicher Ressourcen, Geschichten, Botschaften und Informationen, die zur Basis jeder Konzeption wird. Daraus ergeben sich spezifische Dramaturgien und Methoden, die inhaltliche Überlegungen gestalterisch und sinnlich auf Räume übertragen. Das Ziel ist dabei immer eine holistische, überraschende und erinnerungswürdige Szenografie.
Gerade das Medium Film spielt bei der Entwicklung und Anwendung dieser Theorie wie auch generell in Brückners Karriere und Werk eine tragende Rolle. Nach seinem Architekturstudium in München absolvierte er an der Stuttgarter Kunstakademie ein Studium in Bühnenbild, wobei er unter anderem bei Albrecht Ade – dem Gründer der Filmakademie Baden-Württemberg – einen Animationsfilm drehte.
Theater- und Filmdramaturgien beeinflussten stets auch seine Gestaltungsüberlegungen als Szenograf und Architekt. Deutlich wird das nicht nur an der von Brückner erdachten Dauerausstellung des Deutschen Filmmuseums in Frankfurt, die das „filmische Sehen“ und „filmisches Erzählen“ interaktiv reflektiert. Brückners Räume erzählen vielmehr immer Geschichten, folgen einer „Raumchoreographie oder choreographischen Abfolge von Räumen“. Wie eine Bühne oder ein Filmset reagieren sie auf eine Handlung, die sich daraus ergibt, wie ein Raum von Menschen genutzt wird und welche Botschaft oder welche Informationen darin vermittelt werden sollen.
In der Gestaltung setzt er dabei auch auf klassische Muster und Mittel des filmischen Storytellings, beispielsweise verfügen die Räume über Epiloge und Prologe und Elemente vermitteln Informationen in dramatischen Spannungsbögen, etwa nach Regeln der Hitchcock Suspense.
Zudem spielen Film- und Videoprojektionen als Mittel der Gestaltung seiner Gebäude und Innenarchitekturen eine wichtige Rolle. Raumübergreifende LED-Screen-Wände bespielen etwa das gesamte BMW-Museum mit beeindruckenden, animierten Filmsequenzen sowie Videoinstallationen. Die danach benannte „Mediatecture“ bildet so ein mehrfach preisgekröntes Raumerlebnis. Bei der Expo in Korea 2012 kreierte Brückner mit seinem Team einen Pavillon, der visuell an ein leuchtendes Reisfeld erinnert. In seinem Innern entfaltete eine Panoramaprojektion eines computeranimierten Films zum Thema Energie eine immersive Wirkung.
Schon auf der Expo Hannover im Jahr 2000 schuf Uwe R. Brückner mit dem Cycle Bowl eine spektakuläre Raum- und Lichtinstallation. Gemeinsam mit dem Künstler Ned Kahn, der für die legendären Spezialeffekte des Films Twister verantwortlich ist, kreierte er hier den größten jemals künstlich erzeugten Tornado der Welt. Für die Ausstellung und Performance war die Geschichte der Hybris eines Forschers inhaltlich maßgeblich.
Darüber hinaus nutze er oftmals virtuelle und effektvolle grafische Kommunikation durch animierte Bilder, um komplexe Themenzusammenhänge zu visualisieren, etwa im multimedialen Besucherzentrum des Teilchenbeschleunigers CERN. Interessanter Weise arbeitet er bei den erwähnten Projekten mit Marc Tamschick (Tamschick Media &Space) zusammen, der selbst Absolvent der ersten Generation der Filmakademie Ludwigsburg ist.
Bei seinem Vortrag und Workshop zur Semestereröffnung am Animationsinstitut der Filmakademie Baden-Württemberg stellt Uwe R. Brückner zahlreiche seiner Projekte vor. Er gewährt einen Einblick in deren Entstehungsgeschichte und erläutert ihre theoretischen Hintergründe. Neben einer Einführung in seine holistische Gestaltungsphilosophie gibt er den Studierenden methodische Tipps mit auf den Weg, wie Filmsets und Szenen in Narrationen gedacht werden können und wie sie aus den darin erzählten Inhalten gestaltbar sind.