Verwaiste Flure, verlassene Studioateliers und ungenutzte Arbeitsräume. Mitte März ging es ganz schnell. Dort, wo es normalerweise von Studierenden wimmelt, herrschte plötzlich gähnende Leere. Wie andere Universitäten im Land musste auch das Animationsinstitut schließen, um der Ausbreitung des Coronavirus entgegenzuwirken.
Viele Studierende traf das inmitten ihrer Projektarbeit. „Das war schon ein Schock. Krass, das Animationsinstitut ist zu“, erinnert sich Justus Schmidt. Der Student im Diplomaufbaustudiengang Technical Directing hatte kurz zuvor noch mit seinem Team und zahlreichen Gästen im Studio 1 die Premiere seines Semesterprojekts Face your deer gefeiert. Neben dem mulmigen Gefühl, wie sehr das Virus damals schon verbreitet gewesen sein könnte und wie stark es die Region wohl treffen mag, standen Justus und die anderen Studierenden vor der bangen Frage, wie es mit dem Studium nun weitergeht.
„Wir haben so schnell reagiert, wie möglich“, erinnern sich die Studienkoordinatoren Constanze Bühner und Claudia Liepert. Um das Onlinesemester verbindlich vorbereiten zu können, wurde der Beginn des Semesters auf den 20. April verschoben. Es galt, eine technische Infrastruktur zu etablieren, damit die Server des Instituts auch von außerhalb zugänglich sind. Analog zu den realen Räumen am Institut wurden online Zoomräume eingerichtet, damit die Seminare und Workshops wie geplant stattfinden können. Auch die wöchentlichen Besprechungen der Jahrgänge sowie die Projektbetreuung samt Einzelgesprächen liefen von nun an über Videochats. „Wir wollten die Studierenden auf keinen Fall alleine lassen“, betont Herstellungsleiterin Anna Matacz.
Es ist denkbar, dass es auch künftig mehr Onlineformate gibt, Corona hin oder her.
Constanze Bühner, Koordination Lehre„Wir haben es geschafft, fast alle unserer Lehrinhalte trotz der Schließung durchzuführen“, so Anna Matacz. „Es sind sogar Seminare von Gastdozierenden aus dem Ausland entstanden, die es vielleicht sonst nicht gegeben hätte, einfach weil sie Online ohne Reisekosten leichter durchführbar waren.“ Etwa kam ein Workshop mit dem in Kanada arbeitenden VFX-Director Jan Phillip Cramer zustande, der unter anderem durch seine Arbeit an der Avengers-Reihe von Marvel bekannt ist. „Es ist daher denkbar, dass es auch künftig mehr solcher Onlineformate gibt, Corona hin oder her“, überlegt Constanze Bühner.
„Das Online-Programm am Animationsinstitut war wirklich super“, bestätigt Clara Deitmar. Sie studiert als Quereinsteigerin im dritten Studienjahr Interaktive Medien mit dem Schwerpunkt Transmedia/Games Directing. Während des Semesters beschäftigte sie sich vor allem mit der Konzeption eines Games, „da bekam ich tollen Input über die Zoomseminare und -meetings.“
Auch wenn für Clara das Animationsinstitut das Studium den Umständen entsprechend gut organisiert hat, empfand sie die Situation alles andere als ideal. Vor allem die räumliche Trennung vom Institut war für sie problematisch. Schon zuvor pendelte Clara nach Ludwigsburg von Straßburg aus, wo sie mit ihrem Freund in einer gemeinsamen Wohnung lebt. Im Coronasemester musste sie ihr Zimmer in Ludwigsburg aufgeben. „Dass die Grenze zwischen Frankreich und Deutschland geschlossen wurde, fand ich schlimm. Ludwigsburg war plötzlich weit weg“, erinnert sich die Gamesdesignerin.
Insbesondere der Kontakt mit den anderen Studierenden fehle ihr. Ein Spiel zu entwickeln, sei immer Teamarbeit. Daher war es für sie essentiell, sich auch außerhalb von den offiziellen Zoomseminaren mit anderen Studierenden zu treffen, um sich über Projekte aber auch Privates auszutauschen. „Wir haben quasi die Pausen virtuell weitergeführt“, sagt Clara lächelnd, „aber das Gleiche wie live ist das natürlich nicht.“
Ähnlich empfand die Situation auch Jiayan Chen, die im vierten Studienjahr Animation/Effects Producing studiert. Derzeit betreut sie als Produzentin an der Filmakademie zeitgleich vier Projekte. Ihr Job, für passende Abläufe sowie die Organisation und Koordination der einzelnen Teams zu sorgen, ist in Zeiten von Onlinemeetings eine Herausforderung. „Einfach anderen Studierenden am Animationsinstitut am Rechner über die Schulter zu schauen und sehen, was die gerade machen, geht jetzt leider nicht mehr“, erzählt Jiayan. Ihre Tage seien neben den Seminaren und Workshops des Studienplans daher voll von Onlinemeetings mit den einzelnen Projektgruppen. Das klappe zwar auch, aber es sei schon viel komplizierter.
„Wir versuchen trotz allem soziale Events unter Studierenden aufrecht zu erhalten“, betont die Producerin jedoch. Beispielsweise gab es vor Corona eine Sportgruppe am Animationsinstitut. „Wir treffen uns noch immer, um gemeinsam Sport zu machen. Nun eben bei Zoom.“
Jiayan musste sich aber auch um handfeste Probleme kümmern, die durch die Krise entstanden. Etwa kam es zu Verzögerungen beim 3D-Diplomprojekt Neoshin – eine Animationsfilmserie, die zugleich ein Musikalbum einer realen Band ist. Neoshin spielt in einer dystopischen Zukunft, in der sich Menschen immer stärker in eine virtuelle Realität flüchten. Ausgerechnet ein Virus spielt beim Plot von Neoshin eine zentrale Rolle. Zwar waren die meisten Szenen schon abgedreht, doch geplant waren weitere Aufnahmen mit einer neuen Technik, die einen Green Screen durch eine LED-Wall ersetzt. Diese Technologie sollte es ab Sommer an der Filmakademie geben, durch die Krise musste der Aufbau allerdings verschoben werden. Um dennoch im Zeitplan des Projekts zu bleiben, finden die Aufnahmen nun in einem Studio in Mannheim statt. Dies erhöhte auch die Kosten. „Glücklicherweise konnten wir mithilfe des Instituts zusätzliche Mittel für unser Budget organisieren“, erklärt Jiayan.
Der Regisseur von Neoshin, Sebastian Selg, arbeitete während des Coronasemesters intensiv von Zuhause an seinem Projekt. „Ich muss zugeben, dass ich die Situation gar nicht so schlimm finde“, sagt Sebastian. Er sitze gerade ohnehin täglich um die zehn Stunden an den Filmen, da sei es nicht schlecht, dass er quasi direkt aus dem Bett am Arbeitsplatz sein könne. Auch funktioniert für ihn der Austausch mit seinem Team und den Projektbetreuenden vom Animationsinstitut online sehr gut.
Dass er sich so intensiv mit Neoshin beschäftigen könne, liegt auch an einer anderen Folge der Krise. Sebastian arbeitete neben seinem Studium eigentlich als freier Kameramann. Unter anderem hätte er dieses Jahr auf dem Summer Breeze Festival gedreht, das wegen Corona abgesagt wurde. „Da ich ein Kleingewerbe habe, bekam ich zumindest Soforthilfe vom Land. Daher traf es mich nicht so hart. Doch ich kenne Mitstudierende, die ihre Studentenjobs als Angestellte verloren haben und das nicht machen konnten.“
Die Studienkoordination am Animationsinstitut ist daher bemüht, die Studierenden immer über Fördermöglichkeiten oder aktuelle Entwicklungen etwa hinsichtlich der Bafög-Regelungen zu informieren. Zudem wurde sichergestellt, dass die Projektarbeit der Studierenden ohne Schwierigkeiten weitergehen kann. Wer zuhause nicht über ein geeignetes Equipment verfügt, konnte mit einer Sondergenehmigung unter Einhaltung strenger Hygieneregeln weiterhin die Räume des Instituts nutzen.
Eine solche Genehmigung hat auch Technical-Directing-Student Justus Schmidt. Er leistet essentielle Programmierarbeit für das Diplomprojekt von Regisseurin Bea Hoeller, die ihren Animationsfilm Klimax derzeit ebenfalls mit einer Sondergenehmigung vor Ort abschließt. Da man sich derzeit am Animationsinstitut nur zu dritt in einem Raum aufhalten kann, könne er sich nun zwar gut auf die Arbeit konzentrieren, dennoch fehlt Justus der übliche Trubel am Institut. „Events auf dem Campus wie eine spontane Grillparty auf der Wiese, gibt es dieses Jahr einfach nicht“, bedauert er.
Auch das kommende Wintersemester wird am Animationsinstitut noch unter Coronabedingungen stattfinden müssen. Dennoch sind, soweit es die geltenden Hygienebestimmungen zulassen, Schritte in Richtung Normalität geplant. Die Onlineformate, die sich bewährt haben, gibt es zwar weiterhin, allerdings stehen auch wieder Präsenzveranstaltungen auf dem Programm. So werden etwa sogenannte „Wanderlectures“ angeboten, bei denen Dozierende Seminare und Workshops unter freiem Himmel halten. „Wir wollen die Studierenden auf jeden Fall im Rahmen unserer Möglichkeiten zurück ans Institut holen“, betont der Direktor des Animationsinstituts Andreas Hykade.